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100 Jahre Krieger- und Soldatenverein Goldach

von Pfarrer Thomas Gruber.

Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit vor sich her in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte.

Er sagte zu ihnen:
Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden! Geht! Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemanden auf dem Weg!
Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, ist seines Lohnes wert. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes!
Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe!
Wenn ihr aber in eine Stadt kommt, in der man euch nicht aufnimmt, dann geht auf die Straße hinaus und ruft: Selbst den Staub eurer Stadt, der an unseren Füßen klebt, lassen wir euch zurück; doch das sollt ihr wissen: Das Reich Gottes ist nahe. Ich sage euch: Sodom wird es an jenem Tag erträglicher ergehen als dieser Stadt.

Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und sagten voller Freude:
Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan.

Da sagte er zu ihnen:
Ich sah den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen. Siehe, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und über die ganze Macht des Feindes. Nichts wird euch schaden können. Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!

Lukas 10,1-12.17-20

Liebe Mitglieder des Krieger- und Soldatenvereines Goldach, liebe Vereine, die zu diesem Fest gekommen sind, liebe Schwestern und Brüder an dem Tag, an dem wir besonders auf 100 Jahre des hiesigen Veteranen-Vereines zurückschauen.

Wie bringe ich heute die Christliche Botschaft mit einem Jubiläumsfest eines Kriegervereins zusammen?

Mit dieser Frage habe ich mich in den letzten Tagen in Vorbereitung auf die heutige Predigt beschäftigt.
Ich muss zugeben: Auf den ersten Blick, würde man die Geschichte der Veteranen- und Kriegervereine nicht kennen: Man könnte ja wirklich versucht sein, da keinen richtigen Gedanken zu finden.

Natürlich sind – das darf ich gleich vorausschicken – Veteranenvereine keine gewaltverherrlichenden und kriegstreibenden Vereinigungen, die Unfrieden in der Gesellschaft schüren. Und wenn vielleicht im Laufe der Geschichte so manche Vereinigung vor den Karren der Kriegshetze und Kriegsbegeisterung gespannt wurde, dann war das ein glatter Missbrauch der Ziele, für die Veteranen- und Kriegervereine stehen.

Der Glaube an Gott und der Gedanke des Krieges war und ist immer noch eine Beziehung voller Spannungen. Stand im Alten Testament die Geschichte des Volkes Gottes immer auch in Verbindung mit vielen Kriegen, so kam doch mit Jesus, dem Sohn Gottes, eine deutliche Klarstellung in unseren Glauben hinein: Der Aufruf zu Frieden und Gewaltlosigkeit ist Gegenstand der Seligpreisungen Jesu. Frieden und Gewaltlosigkeit waren Jesu Leben, das er wehrlos bis ans Kreuz vorgelebt hat.

Und doch hat die Geschichte immer gezeigt, dass man sich dem Problem des Krieges und der Auseinandersetzung mit Waffengewalt stellen muss. Sogar der große Theologe und Heilige Augustinus und, sozusagen dazu im Schlepptau mit vielen anderen, der Heilige Thomas von Aquin haben über das „Kriegführen“ nachgedacht. Obwohl sie um die Seligpreisungen Jesu in der Bergpredigt (Selig die keine Gewalt anwenden,..) wussten, machten sie sich Gedanken zu einem möglichen „gerechten Krieg“. Wenn, so der Heilige Thomas von Aquin, eine legitime Staatsmacht einen guten Grund hat und in guter Absicht handelt, dann kann ein gerechter Krieg schon möglich sein. Wie will man sonst einer verblendeten kriegstreibenden Gegenseite in einem gebotenen Zeitraum das Handwerk legen, damit (bevor) diese nicht noch größeren Schaden anrichtet? Diese Idee des „Gerechten Krieges“ stammt aus der griechischen Philosophie, die sich auch schon Gedanken darüber gemacht hat.

Man muss die Idee des „gerechten Krieges“ als problembeladen ansehen. Zu oft wurde sie in der Praxis missbraucht. Grundsätzlich gilt, dass jeder Krieg eine „Niederlage für die Menschheit“ bedeutet. Nicht erst der hl. Papst Johannes Paul II. hat dies als christliche Botschaft klar formuliert: Dort, wo Krieg geführt wird, ist der Schaden immer ein menschlicher Supergau. Die körperlichen Verletzungen (von den seelischen ganz zu schweigen) sind immer immens und grundsätzlich zu vermeiden. „Das mit dem Krieg“ wird also immer ein schwieriges Feld bleiben.

Aber die christliche Botschaft darf da auch um so hartnäckiger sein! Echter und innerer Friede kann nur mit Gewaltlosigkeit, Verständnis und Respekt füreinander richtig in die Welt einziehen. „Selig die Frieden stiften, denn ihnen gehört das Himmelreich“ ist keine fromme hohle Floskel. Jesus hat in seinem Leben und seiner Botschaft deutlich ausgedrückt, dass Gewaltlosigkeit nicht die Methode eines Schwächlings ist. Vielmehr gilt umgekehrt: Gewalt kommt meist dort vor, wo Menschen im Geist und in der Beziehungsfähigkeit schwach sind und es nicht schaffen, Probleme anders zu lösen.

Oftmals hört man von denen, die Christen als weltfremd und naiv ansehen: „Die Christen richten ja eh nix aus! Sie können noch beten und die Erinnerung an den Frieden wachhalten, aber was richten sie dann noch aus? Die dürfen ja schon froh sein, dass sie sich nicht für Kriegsideen „instrumentalisieren“ lassen, dass sie sich nicht für den Krieg vor den Karren spannen lassen, wie es oft passierte oder noch passiert.“

Aber was richten wir, Christen, überhaupt noch aus? Wenn es mal gekracht hat und der Frieden in Scherben liegt?

Das Evangelium (Lk 10,1-12.17-20) heute – im Blick darauf – ist hier sehr optimistisch. Zunächst sagt Jesus ganz realistisch: „Wie Schafe unter die Wölfe kommen die Jesusjünger“, und es wird sehr schön beschrieben: „Sie treiben den Satan aus und heilen“. Jesus ist hier sehr optimistisch mit seiner „Friedensmacht“. Er ermutigt unermüdlich, immer und in allen Lagen. Selbst wenn es aussichtslos erscheint: Es gilt, sein Wort des Friedens und des Heilens in die Welt zu bringen. Und wenn es bis in die Ewigkeit dauert. Aber bis in die Ewigkeit hinein haben die Menschen (natürlich) nicht gewartet.

Liebe Schwester und Brüder, liebe Mitglieder der Krieger- und Soldatenvereine.
Vor 100 Jahren wurde hier in Goldach der „Veteranenverein“ gegründet. Zu schauen, was in den menschlichen Grenzen machbar ist, war damals sicherlich auch die tief menschliche und damit auch vom Glauben getragene Absicht der Gründungsväter. Zu tun, was jetzt im christlichen Geist geboten ist, war damals, vor 100 Jahren, sicherlich der Ausgangspunkt dieser Gemeinschaft. Es war die Zeit, als die Männer hier am Ort aus einem grausamen Krieg zurückkehrten. Auf Grund der Technik und der Dauer hat sich dieser „Erste Weltkrieg“ zu einem der grausamsten militärischen Konflikte der Weltgeschichte entwickelt. Dieser Krieg brachte eine glatte Verrohung menschlicher Sitten mit sich und hat – wie auch immer – den Weg für einen späteren, noch schlimmeren Krieg bereitet. Dieser Krieg hat nicht nur die Körper von so vielen Menschen geschädigt und zerstört, sondern die Seelen unzähliger in Mitleidenschaft gezogen. Wenn man in den Geschichtsbüchern gezielt nachblättert, wird man feststellen, dass im Jahre 1921 viele schwer traumatisierte Menschen aus dem Feld nachhause zurückgekommen sind. Das Wort „traumatisiert“ hat man damals noch nicht gekannt. Geschweige denn, man hätte gewusst, welch schlimmen seelischen Schaden so ein Krieg anrichten kann. Die Familien der heimgekehrten Soldaten waren oft überfordert dabei zu helfen, diese schlimmen Erfahrungen des Krieges mitzutragen und aufzuarbeiten. Wie viele Kriegsheimkehrer waren alleingelassen mit den schrecklichen Bildern von Zerstörung und Sinnlosigkeit? Viele litten psychisch schwer. Es nur mit Schweigen zu übergehen war auch keine Lösung. Vereinigungen zu finden, die Menschen mit gleichen Erfahrungen aufnehmen, war gerade da oberstes Gebot. Männer in einer Gemeinschaft zu treffen, in der man die gleichen Erfahrungen gemacht hat, war geboten. Dort hat man sich auch ohne Worte verstanden. Ein Zittern, eine Träne, eine kurze Bemerkung über die schrecklichen Erfahrungen des Krieges hat jeder sofort verstanden.

In dieser Weise wurden sicherlich auch christliche Ziele verwirklicht, die damals geboten und realistisch waren. Und damit wurde auch ein Fundament geschaffen, das Christliche nicht aus den Augen zu verlieren. Vereinigungen, die in Krisenzeiten das Soziale nicht vergessen, waren immer auch schon Pioniere künftiger Friedensarbeit. Das Gedenken und Ermahnen, die Pflege der Gräber der Gefallenen und das Gebet um die Hoffnung für Frieden sind Grundpfeiler eines jeden Krieger- und Soldatenvereins.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott vertraut uns immer mit seinem Geist Frieden zu haben. Und jede Vereinigung, die auf das Schicksal der Einzelnen schaut und hilft, ist ein Botschafter des christlichen Friedens in der Welt.

Das fasst auch die kleine Geschichte, mit der ich meine Ausführungen schließen will, zusammen, die mir heute zum Thema „Christliche Botschaft und Vereinigung der Krieger und Veteranen“ eingefallen ist:
Zwei Völker führten gegeneinander Krieg, und suchten durch Kundschafter nach der geeigneten Stelle für einen guten Angriff. Doch in der Bergkette zwischen den beiden Völkern gab es nur ein kleines geeignetes Tal zur Schlacht. Die Kundschafter berichteten auf beiden Seiten, dass in diesem Tal aber eine arme verwitwete Frau wohnt, die mit tieferen Gottvertrauen ihre fünf Kinder großzog, und nur dort habe sie eine gute Existenzgrundlage für ihre Familie. Die Mächtigen berieten sich einen Tag lang und kamen zu dem Ergebnis: Der Krieg muss ausfallen, denn diese Familie ist sehr bedürftig und sie ist „Nährboden einer gläubigen Gesellschaft“ – und darf deshalb in ihrer Existenz nicht bedroht werden. Mit diesem „sozialen“ Blick aus christlichem Geist ist Frieden möglich(er). Amen.