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Kirchweih 2020

von Pfarrer Thomas Gruber.

Bei der Bürgerversammlung am Dienstag wurde bemerkt, dass im letzten Jahr in der Gemeinde Hallbergmoos so viele wie noch nie aus der Kirche ausgetreten sind. 154 Austritte in einem Jahr, ein neuer Höchststand. In der Vergangenheit waren es nie mehr als 100.

Welche Gedanken macht sich da ein Pfarrer?

Es gibt die äußeren Faktoren:
Wenn die Skandale mehr in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden als die „schönen Dinge“, selbst wenn diese überwiegen, schwindet das Vertrauen in eine große Gemeinschaft. Die Bindung an eine Jahrhunderte alte traditionelle Gemeinschaft, wie die Kirche eine ist, wird von Jahr zu Jahr geringer. Wenn man mit der Kirche viele Jahre lang nicht mehr in Verbindung stand, ist der Austritt meist ein logischer Schritt, wenn man nach der Kirchenmitgliedschaft und vor allem nach der „Steuerzugehörigkeit“ gefragt wird. Dazu darf man anmerken, dass jede Vereinigung eine gewisse Menge an passiven (= zahlenden) Mitgliedern hat.

Es gibt aber auch innere Faktoren:
Denn es ist nicht nur der Zeitgeist. In einem geistigen Bild gesprochen, hat unsere Kirche als Gemeinschaft und Institution mit ihren alten Traditionen auch den Charakter eines schweren Bauwerks.

Der erste Petrusbrief ist Ausgangspunkt dieses Bildes:
Lasst euch selbst als lebendige Steine zu einem geistigen Haus erbauen. (1 Petrus 2,5).

Wenn man das Bild des geistigen Hauses in die Jetztzeit hineinübersetzen möchte, darf man von einem alten, schweren Dom sprechen. Denn die Gemäuer der Kirche sind dick und schwer. In der heutigen Zeit empfinden Menschen diese „dicken und schweren Gebräuche“ (Riten) mehr wie eine Last, nicht als schützenden Raum. Die Kirche wird als alte, verstaubte Gemeinschaft wahrgenommen, oder wie ein Museum: Reich an Kunstschätzen und an Weisheit, aber eben doch nur ein Museum, das auf viele nicht mehr lebendig, nicht mehr inspirierend wirkt.

Und doch ist das Bild eines Doms, einer großen Kirche, auch sehr bestechend: Bei Taufgottesdiensten gefällt es mir, die Gemeinschaft der Kirche als ein großes Haus zu bezeichnen und damit zu vergleichen, was sie als Bauwerk, in Stein geformt, ja auch ist. Kirche ist ein Schutzraum. Früher, als die meisten nur kleine Häuser hatten, war es viel spürbarer, viel bedeutender, Sicherheit in einer Kirche zu finden. Deshalb spricht man auch von einem Kirchenschiff, das bei Stürmen Schutz bietet.

Die Gemeinschaft der Kirche ist geistiger Schutzraum.

Kirche ist auch ein erhebender Raum. Kirchen „ziehen nach oben“. Kirchen sind immer als besondere Räume erbaut worden. Ein jeder, der eine Kirche betrat, war „erhoben“ von der Größe, von der Erhabenheit des Kirchenraumes. Die Seele konnte sich daran wirklich ernähren.

Aber natürlich ist die Kirche, wenn man sie mit einem Dom vergleicht, auch immer etwas Schweres. Ein Mauerwerk von Regeln und Riten. Und vor allem: Die Kirche ist, wie ein Dom, immer auch eine Baustelle. Jeder Dom hat eine Dombauhütte. Die Kirche ist nie ganz fertig. Es gibt immer etwas zu restaurieren. Das geht immer so weiter, die Kirche ist nie perfekt.

Das hat auch das Zweite Vatikanische Konzil („Unitatis Reintegratio“ 6) erkannt. Die Kirche braucht immer Renovierung, Erneuerung. Es gibt eine dauernde Reformbedürftigkeit dieses Hauses. Im Alten Testament schon redeten die Propheten zum Volk Israel darüber. Das Volk Israel als Vorläufer der Kirche hatte auch schon seine „renovierungsbedürftigen Ecken“. Dort, wo nicht das Vertrauen in Gott an erster Stelle stand, wurden Vergleiche wie „verfallene Hütte“ oder „rissige Zisterne“ als Kritik angeführt. Auch die Kirche ist schmutzig, sagt Papst Franziskus in der Jetztzeit.

Die Kirche, im Bild des Domes gesehen, zeigt, wie schwer manchmal Glaube sein kann, aber auch, wie fest und klangvoll Glaube ist:

Im Evangelium an Kirchweih (Lk 19,1-10) ist es Jesus, der den Oberzöllner Zachäus zu Einsicht und Menschlichkeit bewegt, weil die Stimme Gottes in dessen Herz eindringt.

In der Kirche, in einem Dom, kann die Stimme Gottes besser zum Klingen kommen.

Wenn Menschen sich mit Vertrauen und Gläubigkeit versammeln, wenn Menschen sich auf die Kraft der Sakramente verlassen können, dann ist das, wie wenn gute Musik durch den Kirchenraum tönt. In einem großen Raum, auch wenn dieser erst mal schwer und „ungelenkig“ wirkt, kann sich die Stimme Gottes entfalten und die Herzen bewegen, so wie Musik im großen Kirchenraum. Das hat eine eigene Qualität, die bereichert.

Und man darf dann auch sagen: Alle, die Gottes Wort im Herzen trägen, haben die Kirche in sich. Alle, die aus dem Glauben heraus Gutes tun, alle, die echte Menschlichkeit leben, bringen den echten Klang der Kirche in die Welt, die Stimme Gottes, wie sie auch dem Zachäus begegnet ist. Sie machen damit die Welt zu einem Teil der Kirche.

Die „Dom-Kirche“ als Bild der Gemeinschaft mit Gott hier auf Erde zeigt auch deutlich, dass diese Gemeinschaft offene Türen braucht. Jedes Bauwerk vermodert, wenn man nicht lüftet. Häuser müssen atmen um zu leben, sagen kundige Fachleute vom Bau. Auch die Kirche kann es sich nicht leisten, die Türen immer geschlossen zu halten. Die Gemeinschaft der Kirche braucht die frische Luft des Heiligen Geistes. Das heißt: Ein großes Maß an Offenheit. Die Kirche lebt von der Offenheit gegenüber allen Menschen. Immer wieder will man in der Kirche die Türen zumachen, weil man meint, es zieht. Doch Jesus selbst war der Öffner jeder Tür.

Die schweren Gemäuer einer Kirche sind eine echte Herausforderung in der heutigen Zeit, vielen können diese Gemäuer sehr zusetzen. Doch immer wieder braucht es den Geist, damit Gottes Stimme hörbar und spürbar bleibt. Viel Schwere und viel Mauerwerk prägen und behindern diesen geistigen Bau.

Doch Gottes Stimme als Klang in der Gemeinschaft der Kirche, und sein Heiliger Geist als die Luft der Offenheit und des guten menschlichen Miteinanders, geben dem Bauwerk Leben. Das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir uns über die Kirche Gedanken machen.