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Begegnung

von Pfarrer Thomas Gruber.

Die Begegnung zwischen Maria und Elisabet
In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib.

Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme:
Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.

Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.

Lukas 1,39-45

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitchristen am heutigen 4. Advent,
die Coronazeit hat uns schon über 21 Monate fest im Griff. Das zweite Mal in der Adventszeit sind wir mit Einschränkungen konfrontiert, die uns die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest etwas anders gestalten lassen. Sicherlich machen wir wieder unsere Einkäufe. Sicherlich kann man dekorieren und backen. Sicherlich hat alles seine „dezemberliche“ Stimmung. Aber wir haben nicht die vielen Begegnungen, die die Adventszeit prägen. Viele Treffen fielen dieses Mal auch wieder aus.

Auch im Advent ist Begegnung ein Thema, das uns Menschen und damit uns Glaubenden nicht abhandenkommen darf. Wir begegnen Anderen und brauchen sie. Und das sagt uns auch: Es braucht eine Begegnung mit Gott, das gehört auch dazu. Damit alle anderen Treffen nicht oberflächlich bleiben. „Gott finden“ im alljährlichen Treiben jetzt am Ende des Jahres ist schon wichtig!

Heute, fünf Tage vor dem Heiligen Abend, hörten wir im Evangelium wieder die Stelle, in der Maria Elisabet besucht. Unscheinbar wirkt diese Stelle im Lukasevangelium; doch gewaltig ist die Aussage, die in diesen Zeilen steckt.

Weihnachten ist in erster Linie Begegnung:
Begegnung mit Anderen, Begegnung mit mir selbst. Und letztendlich Begegnung mit Gott, der hinter allem steht.

Können wir noch Gott begegnen?

Die Begegnung heute von Maria und Elisabet ist nicht nur eine einfache menschliche. Ja, das ist sie natürlich auch. Doch dahinter steht eine gewaltig größere Begegnung. Es begegnen sich die Mutter des Johannes des Täufers und die Mutter Jesu. Beide Frauen tragen bereits ihre Kinder in ihrem Leib. Guter Hoffnung sind sie! Schon das ist das Stichwort für eine der großartigsten Begegnungen, die die Bibel kennt. Maria besucht Elisabet. Hier trifft alle Hoffnung des Alten Testamentes durch Elisabet und Johannes auf das Ziel allen Wartens auf Maria und Jesus (also die Erfüllung im Neuen Testament).

Diese Stelle ist der Schlüssel für Weihnachten:

So wie Elisabet auf Maria trifft, so mögen auch wir auf Gott treffen. Elisabet wird bei der Begegnung mit Maria vom Heiligen Geist erfüllt, und Johannes hüpft vor Freude in ihrem Leib.
Wenn wir auf Gott treffen, dann darf auch uns sein „Guter Geist“ erfüllen. Doch leider: Wie viel Ungeist macht sich bei uns breit, was uns so viel an Begegnung mit Gott raubt?
Missverständnisse und Eigensinn, Sorgen, Alltagsbetrieb, tiefe Enttäuschungen, Ungeduld und vieles mehr.

Sein „Guter Geist“ öffnet unsere Augen für sein Kommen, nicht nur für den im Kalender alle Jahre wieder kommenden 24. Dezember. Sein „Guter Geist“ öffnet uns für das freudige Zusammentreffen mit ihm.

Elisabet wird für uns zum großen Modell einer Gott-Begegnung und sie inspiriert sozusagen dann auch Maria, die großen Worte des Magnifikats zu sprechen. Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter, wird Maria über sich selbst sagen, weil Gott in ihr begegnet ist.

Weihnachten heißt ein „Rendezvous mit Gott haben“, formulierte etwas lyrisch die christliche Schriftstellerin Madeleine Delbrêl. „Mit Gott eine Verabredung haben und ihm begegnen“, das ist das Ziel von Weihnachten – und so gesehen darf für uns ein jeder Tag ein weihnachtlicher sein, nicht nur dann wenn draußen Schnee liegt.

Elisabet will uns „inspirieren“, dass auch in uns die Freunde förmlich springt, wenn wir Gott begegnen.

Die Orte der Gottesbegegnung sind immer verschieden.

Im Bibelkreis haben wir einmal davon gesprochen, dass natürlich gerade auch jeder Gottesdienst ein Ort „par excellence“ ist, wo wir wie Elisabet mit Freude erfüllt sein dürfen. Gott begegnet uns mit seinem Wort und in der Eucharistie. Und trotzdem stehen wir manchmal so traurig beim Beten da, als ob „der Johannes der Täufer in uns“ förmlich beim Hüpfen eingeschlafen wäre.

Diesem Eindruck möchte ich den Heiligen Geist entgegenhalten, der uns zur echten Freude erst fähig macht: Lassen wir immer den Geist wirken, dass wir wie Elisabet Gott begegnen und so den Schlüssel für Weihnachten in die Hand bekommen.

Die altbekannte Mustergeschichte für diese Gedanken ist und bleibt für mich die Erzählung der Frau, die Gott zu Besuch erwartet: An einem Sonntag Nachmittag hat er sich angekündigt. Und die Frau geht in wahrer Geschäftigkeit auf, alles will sie richtig machen. Sie putzt, macht Besorgungen, organisiert. Als es dann Abend wurde, begann sie zu warten. Es klopfte, es war die Nachbarin, sie wollte einfach nur reden; doch nein, die Frau hat keine Zeit, denn sie warte doch auf Gott … Dann – später – klopfte ein Bettler an die Tür, auch hier beschwichtigende Ausreden, jetzt können sie nichts machen, sie habe heute einen wichtigeren Gast, und schlug die Tür zu. Schließlich kam noch ein Mann aus der Gemeinde, der etwas auszureden gehabt hätte, auch diesen vertröstete sie auf später. Die Frau wartete und wartete, es wurde Nacht, und Gott kam nicht. Im Traum erst erschien er ihr, und sie machte Gott Vorwürfe, dass er sein Versprechen nicht gehalten hätte; doch Gott antwortete: „Ich habe dreimal bei dir geklopft. aber für eine Begegnung warst Du nicht bereit. Der „Ungeist“  deiner Geschäftigkeit und deines Eigensinnes hat dich unfähig gemacht, mir zu begegnen.“

Lassen wir uns mit Freude erfüllen und den Geist der Begegnung mit Gott in uns ein, dass es auch in uns echt Weihnachten wird. Jedes Wort der Vergebung, jede Aufmerksamkeit, jede innere demütige Einsicht wird uns dabei helfen, Anderen und uns selbst – und damit auch ihm – richtig zu begegnen.