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Der Evangelist Lukas

von Pfarrer Thomas Gruber.

Schon viele haben es unternommen, eine Erzählung über die Ereignisse abzufassen, die sich unter uns erfüllt haben. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allem von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin, es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.

Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen. So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um vorzulesen, reichte man ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er öffnete sie und fand die Stelle, wo geschrieben steht: Der Geist des Herrn ruht auf mir; / denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, / damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde / und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. Dann schloss er die Buchrolle, gab sie dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

Lukas 1,1–4; 4,14–21

Das heutige Evangelium ist der Anfang des Evangeliums nach Lukas, dem dritten Evangelisten, und der Bericht über das erste Auftreten Jesu in seiner Heimatstadt Nazareth. Heute möchte ich ein wenig auf Lukas selber zu sprechen kommen, nicht zu ausführlich, nur einige Federstriche, damit wir einen ersten Eindruck gewinnen, wie er über Jesus und sein Leben geschrieben und berichtet hat.

Alle drei Jahre hören wir in den Sonntagsgottesdiensten verstärkt aus dem Lukasevangelium. Nach den Evangelisten Matthäus und Markus in den letzten beiden Jahren steht in diesem (Kirchen-)Jahr – man nennt es liturgisch das Lesejahr C – das Evangelium von Lukas im Vordergrund. 

Lukas soll Arzt gewesen sein. Der Kolosserbrief schreibt von einem Arzt Lukas. Doch ob damit auch tatsächlich der Evangelist Lukas gemeint war, ist nicht bewiesen. Was dafür sprechen könnte ist, dass der Evangelist Lukas Jesus immer als den „heilenden Heiland“ beschrieben hat, mehr als die anderen. Für Lukas war Jesus der „Arzt unserer Seele“. 

Andere Traditionen sagen, Lukas habe Maria gemalt, also porträtiert. Alle wertvollen Marien-Ikonen sollen auf ein früher von Lukas eigenhändig gemaltes Bild zurückgehen. Auch hier gibt es keinen Beweis. Aber man kann sagen, dass Lukas sicher ein „Maler mit Worten“ gewesen ist. Er hat viele wunderbare Erzählungen aufgeschrieben, wie zum Beispiel – um nur die bekanntesten aufzuzählen – die „Geschichte vom verlorenen Sohn“, vom „Barmherzigen Samariter“ oder die „Bekehrung des Oberzöllners Zachäus in Jericho“.

Lukas hat also viele Geschichten aufgeschrieben. Er war aber nicht nur ein sehr guter Erzähler, sondern, und das ist die wichtigste Eigenschaft des Lukas, er hat alles als eine „Geschichte Gottes mit uns Menschen“ verstanden (im Unterschied zu den anderen Evangelisten). Schon das Alte Testament gehört zur Geschichte Gottes mit uns Menschen – noch ohne Jesus als Mensch. Auch alles, was nachher passiert ist, also die Ausbreitung des Glaubens nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt, ist genauso „Geschichte Gottes mit uns“. Lukas hat aus diesem Grund auch die gesamte Apostelgeschichte geschrieben. Das ist wichtig zu wissen: Er hat als Einziger weitergeschrieben.

Alles, was Geschichte ist, sieht Lukas von Gott begleitet. Für viele ist „Geschichte“ nur das, was man aus der Schule kennt. „Geschichtsunterricht“ mit Zahlen, Fakten und Daten. Doch bei Lukas ist alles, was passiert, von Gott begleitet. Die Geschichte der Menschheit braucht Gott, will Lukas sagen. Jesus ist der Arzt, der die Geschichte der Menschheit heilen will. 

Lukas hat von der Geburt Jesu berichtet. Er tat das, weil er damit ausdrücken wollte, dass die Menschen des Alten Testamentes schon auf Jesus, den heilenden Heiland, warteten. 

Die Schöpfung/Urgeschichte der Bibel ist zwar etwas mythologisch erzählt. Ob das alles genau so auch historisch passiert ist, kann und darf man hinterfragen. Aber ohne Zweifel hat sich von Beginn an schon das Übel in die Menschheitsgeschichte eingeschlichen: Die Ursünde von Adam und Eva, der Brudermord von Kain und Abel und der Turmbau von Babel zeigen uns, dass sich der Mensch gerne über Gott stellt, dass er gerne Menschen „ausgrenzt“ und dass er sich auch gerne Machtgelüsten hingibt. Diese Versuchungen begleiten die Menschheit in ihrer Geschichte allzu oft, ob im Großen oder im Kleinen, ob in der großen Politik oder in der kleinen Familie. Gott kennt unsere Geschichte, aber „er spielt mit“ und möchte uns dabei sagen, dass er uns nicht verlässt. 

Mit „Jesus“ ist nicht einfach nur eine nette Erzählung in die Weltliteratur auf Erden gekommen, sondern er ist mit uns dabei. Er ist nicht nur ein frommer Gedanke oder ein Mythos – oder wie man sagen will. Er ist „echte Wirklichkeit“ geworden und möchte „mitreden“. Mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung gehört er zu uns dazu. Er will das Unheil von Macht, Ausgrenzung und Gottlosigkeit mit seiner Versöhnung heilen. Er ist unsere Hoffnung, die wir brauchen; doch so ist er auch wieder ein „Bestandteil“ von Ausgrenzung: Er hat viele geheilt, hat aber auch übelstes Unheil erfahren – mit seinem Tod.

Doch gerade bei Lukas und seiner Geschichte hören wir die wesentlichen Sätze: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“ – gesprochen von Jesus am Kreuz. Oder die Worte des ersten Blutzeugen Stefanus, der bei seinem ungerechten Tod betete: „Herr rechne ihnen diese Sünde nicht an“. Die Geschichte ist immer eine Geschichte, die auf Heilung wartet. Eben dass Jesus diese Geschichte Gottes mit uns erfüllt. Dass Gott uns immer mit seinem Geist die Kraft gibt, unsere Geschichte mit Jesus zum Guten zu wenden. Das ist das, was uns Lukas in diesem Lesejahr gezielt ans Herz legen will, als roter Faden seiner Botschaft.

Um noch etwas als Markenzeichen des Lukas dazuzulegen, darf man bei den Dingen, die Lukas so schön erzählt, abschießend anfügen: Lukas hat immer den „Heiligen Geist“ in seinen Geschichten dabei. Es braucht unseren Geist, der von Gott kommt. Wir leben aus seinem Geist.

Lukas hat Jesus immer auch als den Betenden beschrieben, denn das Gebet ist die unerlässliche Vertiefung, dass wir mit Gott eine Verbindung haben. Ohne diese Verbindung kann keine „Geschichte“ zwischen Gott und mir geschehen.

Als letztes von den vielen Dingen die Lukas betont: Jesus hat einen „sozialen und gerechten Blick“ auf die Welt. Seine „Heilung“ braucht auch die caritative und liebende Umsetzung – nicht nur geistig und spirituell, sondern es geht auch um die Nächstenliebe in unserem ganz praktischen Tun.

Liebe Schwester und Brüder, soweit nur einige wenige „Pinselstriche“, die den Lukas als unseren großen dritten Evangelisten beschreiben, den wir in diesem Jahr in verstärktem Maß „unter uns“ haben.

Amen.