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Die Handbewegungen Gottes

von Pfarrer Thomas Gruber.

Dann kam Jesus nach Jericho und ging durch die Stadt. Und siehe, da war ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war reich. Er suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei, doch er konnte es nicht wegen der Menschenmenge; denn er war klein von Gestalt. Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste.

Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm:
Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben.

Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf.

Und alle, die das sahen, empörten sich und sagten:
Er ist bei einem Sünder eingekehrt.

Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte:
Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wenn ich von jemandem zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.

Da sagte Jesus zu ihm:
Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.

Lukas 19,1-10

Liebe Schwestern und Brüder,
Haltungen/Einstellungen in Handbewegungen zum Ausdruck bringen – das habe ich das letzten Mal versucht zu thematisieren. Vielleicht war letzten Sonntag jemand in der Kirche, der sich noch daran erinnert. Aber das habe ich heute auch ein bisschen als Aufhänger und Leitmotiv meiner Predigt.

Dieses Mal möchte ich auch über Handbewegungen predigen. Aber nicht über die der Menschen, sondern über die „Handbewegungen Gottes“, die seine Haltung(en) und Eigenschaften für uns ins Wort bringen. Dabei nehme ich das heutige Evangelium ins Visier. Wir haben es ja gerade gehört – und vielen ist es sicherlich nicht ganz unbekannt.

Es ist die Geschichte des Zöllners Zachäus, der von Jesus gerufen wird, sein Leben zu ändern. Nur Lukas schildert diese Geschichte. Das heißt absolut nicht, dass diese Geschichte vom Evangelisten bloß erfunden worden wäre, sondern es heißt eher, dass hier sehr feinsinnig auf die „Hand-Bewegungen“ von Jesus geachtet wird.

Ich möchte also heute auf die Handbewegungen Gottes schauen, um so die Eigenschaften und Haltungen Gottes, wenn man es so formulieren will, zu beschreiben. 

1. Da ist schon mal die „Handbewegung des Herunterholens“.

Jesus sieht den auf dem Baum sitzenden Zachäus und er holt ihn herunter. Mit dieser Handbewegung kommt schön zum Ausdruck, was Gott will: „Komm runter!“

Er will das Herunterkommen. Wir sagen es ja oft schon, wenn man sich in irgendwas verstiegen hat. Wie oft ist der Mensch „hoch oben“ – und glaubt, über allem zu stehen. Und doch sagt uns Gott selber oft genug, dass wir nicht der Mittelpunkt der Welt sind. Die heutige Lesung schreibt ja auch von der Weisheit. Und Weisheit bedeutet auch: Einsicht haben. Gerade wenn man selbstgerecht oder selbstherrlich daherkommt, braucht es die innere Weisheit, mal etwas einzusehen. Einsicht ist die Haltung des Herunterkommens. Da wirkt Gott mit seiner Weisheit im Inneren unseres Herzens.

2. Aber andererseits winkt Gott auch den Zachäus herauf.

In seiner Art war der Zachäus auch schon „begraben“. Ich meine, etwas überspitzt gesagt, er war „begraben in seiner Geldgier“. Die Abhängigkeit vom Geld, in der dieser Oberzöllner dargestellt wird, ist schon nahe am Tod – nahe an einem geistigen seelischen Tod.

Er möchte uns von dem, was tot ist oder Tod bringt, befreien.  Am Ende des Lebens, aber auch schon im Leben, will er uns von dem befreien, was abhängig und damit auch irgendwie tot macht.

Schon der verlorene Sohn wurde – wenige Kapitel vorher – vom „Barmherzigen Vater“ als tot bezeichnet. Er will das „Leben in der Unabhängigkeit“, frei von den Dingen, die binden. Er holt nicht nur runter, sondern auch herauf.

Ein interessantes Merkmal zu diesem Gedanken: Mit Jericho (ca. 300 m unter dem Meeresspiegel) ist Jesus an einer der tiefsten Stellen dieses Erdballs angekommen, um Zachäus herauf- und herauszuholen. Diese geographische Besonderheit mag auf diese seelische Haltung Gottes hinweisen.

3. Eine weitere Handbewegung ist auch in der Zachäusgeschichte herauszuhören: „Er schiebt weg“.

Er schiebt bei seiner Begegnung mit dem Oberzöllner all diejenigen weg, die den Zachäus verachten. „Bei einem Sünder ist er eingekehrt“, sagen all diejenigen, die dem Zachäus den Weg und die Sicht auf Jesus versperren.

Der Zachäus war in seinem Tun von den Anderen her gesehen schon abgestempelt. Er konnte ja schon nicht mehr anders, als ein Sünder zu sein. Er war dadurch schon automatisch klein. Da wendet sich Jesus dagegen. Als würde Gott selber sagen: Nein! Du hast immer eine Chance, du bist nicht das Ergebnis dessen, was der Mensch aus Dir gemacht hat. Sondern Du bist immer von Gott angenommen. Auch wenn Dein Verhalten zeitweise dagegen spricht. Gott verdammt niemanden, und ruft immer.

4. Das Endergebnis ist damit die „Umarmung Gottes“.

Schon beim „Verlorenen Sohn“, war die Umarmung des Vaters die Grundhaltung Gottes schlechthin. Umarmt wird Zachäus von Jesus am Ende auch. Indem er sagt „Auch dieser ist ein Sohn Abrahams“, nimmt er ihn voll und ganz in seine Gemeinschaft auf. Ganz ohne Probezeit. Gottes Haltung ist Aufnahme und Umarmung.

Diese Haltung ist natürlich auch wieder provokant: Jemanden ohne Probezeit aufzunehmen, der sich etwas zu Schulden hat kommen lassen. Das ist sehr schwer. Ja! Das kann sich nur Gott leisten. Das ist Liebe und das kann die Herzen öffnen. Zachäus wird zum Liebenden, wenn er sich öffnet, weil Gott ihn umarmt hat. 

Diese Haltung des Umarmens hat Mutter Theresa besonders bei Jesus am Kreuz sehen können. Gott umarmt uns mit seinen ausgebreiteten Armen am Kreuz. Das zeigt uns diese einmalige Haltung und Handbewegung Gottes in einmaliger und einzigartiger Weise noch einmal voll und ganz. In seinem Tod am Kreuz hat er uns ein für alle mal seine Liebe gezeigt.

Er verzeiht – gerade bei Lukas wortwörtlich – „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht was sie tun“. So die Worte Jesu am Kreuz. In dieser Art der übergroßen Vergebung werden die Handbewegungen Gottes noch einmal vertieft. 

Er holt uns herunter, er holt uns herauf, er schiebt Hinderliches beiseite und umarmt uns. Das sind die Eigenschaften Gottes für uns auch heute!