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Die Seligpreisungen

von Pfarrer Thomas Gruber.

Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm.
Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach:

Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen.

Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel. So wurden nämlich schon vor euch die Propheten verfolgt.

Matthäus 5, 1-12

Lieber Schwestern und Brüder,

wenn wir an Landshut denken, die niederbayrische Hauptstadt, gut 40 Kilometer Isar abwärts gelegen, fällt vielen im Augenblick die Landshuter Hochzeit ein, die dieses Jahr Anfang Sommer endlich wieder nach 6 Jahren stattfinden kann. Das Mittelalterspektakel rund um den Martinsturm, der als der höchste Backsteinkirchturm der Welt gilt.

Bei mir geht die Erinnerung an Landshut, auch wenn ich die „LAHo“ auch immer wieder besuche, etwas tiefer. Vor 28 Jahren war ich dort als Diakon im Einsatz und machte auch schon Kirchenführungen im Landshuter Martinsmünster. Da war es mir immer wichtig, auf eine Besonderheit der Kirche hinzuweisen, die man ohne fachkundige Anleitung übersieht: Hinten in der Kirche sind am Eingangsportal außergewöhnliche Darstellungen angebracht. Am Torbogen der großen Eingangstür sieht man Bilder aus Stein, die mit schönen Farben bemalt sind. Es sind acht Bilder, im spitzen Hochgesimse des Eingangsportals, mit den Seligpreisungen aus dem Evangelium nach Matthäus.

Nirgendwo sonst habe ich das so gesehen. Außer noch in Landshut 600 Meter weiter am Seiteneingangstor der Kirche St. Jodok. Auch interessant, dass das eine so nah vom anderen ist.

Man muss unter den Seligpreisungen durchgehen, um in die Kirche hineinzukommen. Dieser äußere „Bewegungsumstand“ ist auch im übertragenen Sinn zu lesen. Wenn ich mit Gott und seiner Gemeinschaft in Kontakt kommen und auch aus deren Schätzen leben will, brauche ich die Seligpreisungen des heutigen Evangeliums, unter denen ich durchwandern muss. Wie eine „Eintrittskarte (oder ein Schlüssel) in das Himmelreich“ stellen sie sich im heutigen Evangelium dar. Die Seligpreisungen stehen am Anfang der Bergpredigt Jesu. Die Bergpredigt ist der erste Redekomplex Jesu, von insgesamt fünf bei Matthäus. Die Bergpredigt bildet damit die Ouvertüre des Evangeliums. In den Seligpreisungen gewinnen wir auch den seelischen Eintritt in die Gemeinschaft mit Gott. 

Das sagt schon das Wort „selig“ (griech. „Makaroi“): „Glücklich“ wortwörtlich gesagt. Gott will, dass wir glücklich sein dürfen. Damit stimmt er uns auf den Himmel von innen her ein. Das Glück soll nicht oberflächlich und selbstbetäubend sein. Jesus will kein schnelles Glücksgefühl, sondern das Ziel unseres Menschseins, unser wahres Glück.

Die ersten drei Seligpreisungen finden sich auch im Lukasevangelium:  Selig die Armen … , selig die Hungernden … selig die Trauernden …
Wenn man die Beschreibungskunst des alten Israels ernst nehmen will, dann ist damit das Geistige und das Körperliche gemeint. Geistiges und körperliches „Armsein“, „Hungern“ und „Trauern“ gehören gleich intensiv in das Glück des Menschen hinein. Jede Träne, jedes Hungergefühl, jedes Bedürfnis des Menschen ist in den Seligpreisungen grundgelegt. Das heißt, Gott sieht diese Not und will sie wandeln. Jeder, der durch Armut, Hunger und Trauer hindurchgeht, kann Wandlung erfahren. Diese Wandlung ist sehr vielseitig und bekommt bei Matthäus seine besondere Note.

Die völlige Wandlung ist noch nicht jetzt! Es wird eine Wandlung im Himmel geben – ganz sicher. Aber das darf nicht als eine Vertröstung angesehen werden. Denn wenn ich zum Anderen sage: „Hungere schön weiter, ist nicht so schlimm. Im Himmel wirst du dann vom lieben Gott schon gesättigt werden!“ dann ist das sehr zynisch gesprochen. Jesus will in diesen Worten der Seligpreisungen sagen, dass jetzt schon Wandlung stattfindet und ihre Vollendung im Himmel sein wird. Damit fangen wir an, Gutes zu tun, zu helfen und zu trösten, also: Gott auf Erden durch Liebe zu verkünden, aber wir verbeißen uns nicht wie ein totalitäres Regime, etwas mit Gewalt verändern zu müssen; denn das Glück hängt am Ende an Gott und er legt es in uns hinein.

Wenn wir durch die Seligpreisungen hindurch gehen, dann gewinnen wir eine Haltung, die Gott „machen/handeln“, anfangen und vollenden lässt, aber uns die inneren Kräfte gibt, zu verändern. Er setzt unsere inneren Kräfte der Liebe frei. Wir haben keinen moralischen Druck; denn Druck lässt uns jedes Ziel der acht Seligpreisungen misslingen. Wir haben einen Zuspruch Gottes; er setzt das Fundament und baut mit uns weiter, aber er vollendet selbst.

Der Kommunismus war ein Regime, das alles selber machen wollte. Für ein solches Regime erschienen die Seligpreisungen wie ein Witz, den man zur Märchenstunde erzählt. Dazu fällt mir eine Begebenheit ein: Im Großen Theater in Moskau wollte man sich einmal durch ein Schauspiel über die Seligpreisungen in der Bergpredigt  lustig machen. Und dabei ließ man einen Schauspieler durch eine Gruppe von Bettlern auf der Bühne gehen. Er sollte die Seligpreisungen dabei zitieren, und der Regisseur hoffte, dass dann alle das Lachen anfangen würden. Doch genau das Gegenteil war der Fall: Alle waren getroffen von den Worten Jesus am Anfang der Bergpredigt und gingen schweigend nach Hause. Das Theaterstück wurde nie mehr wieder gespielt.

Wir wissen, dass auch der Kommunismus gescheitert ist.

Ich schaue lieber auf die Symbolik der Kirchen in Landshut:
Gehen wir durch die Seligpreisungen hindurch damit Gott beginnt, wir im Vertrauen auf ihn weiter bauen und er am Ende wieder alles vollendet.

Amen.