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Die Seligpreisungen

von Pfarrer Thomas Gruber.

Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte:
Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.
Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden.
Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen.
Freut euch und jauchzt an jenem Tag; denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht.

Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen.
Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern.
Weh, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen.
Weh, wenn euch alle Menschen loben. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.

Lukas 6,20-26

Es ist jetzt mittlerweile fast 9 Jahre her, dass Papst Franziskus in Rom als Jorge Bergoglio in das Petrusamt gewählt wurde. Damals erzählte man sich, dass Kardinal Bergoglio – als sich deutlich abzeichnete, dass er die nötigen Stimmen bei der Wahl bekommen würde – von seinem Freund, Kardinal Humes aus Brasilien, angerempelt wurde und klar den stillen Hinweis zu hören bekam: „Vergiss ja die Armen nicht!“.

Als Kardinal von Buones Aires war ja der künftige Papst in Lebensstil, Glaubenszeugnis und Verkündigung sehr eng mit den Menschen aus den ärmeren Schichten des Landes in Verbindung. Das Anliegen, stets an die Armen zu denken, wurde somit förmlich wieder neu „in die Schuhe des Fischers“ gelegt.

Diese Geschichte kann ich interessanterweise noch mit einer älteren Erzählung kombinieren. Von meinem früheren Direktor im Germanikum in Rom habe ich gehört, dass man während des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ eine „Große Rede“ gehalten hat, nämlich darüber, dass die Kirche eine Kirche sein muss, die sich wieder mehr um die Armen kümmern muss. Ein Antwortbeitrag auf diese Rede hat dazu aber eingewandt: Wie könne eine Kirche, die so „mit den Reichen gegangen“ ist (= mit den Reichen gelebt hat), nun fähig sein, die Armen wertschätzend und effektiv genug (wieder) in den Blick zu nehmen? Es werde noch dauern, bis die Kirche das schafft.

Liebe Schwestern und Brüder!
„Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ lässt deutlich werden, dass die Sorge um die Armen und das Wahrnehmen der Armen ein sehr großes Anliegen Jesu ist.

Die „Seligpreisungen“ (heute im Evangelium) sind schon bei Matthäus am Anfang seiner Bergpredigt eine absolute Schlüsselstelle, ja ein Schlüssel schlechthin, um auf den Kern des Christlichen zu schauen: Die Botschaft Jesu von Gottes Liebe. „Seligpreisungen“ gehören zur großen Schrifttradition des Altertums, um sehr Wichtiges zum Ausdruck zu bringen, wie wir auch in der Lesung aus Jeremia gehört haben (siehe Jer 17,5ff).

Auch im heutigen Evangelium bilden die Seligpreisungen einen Kern, der in seiner Wertigkeit nicht unterschätzt werden darf. Jesus ist mit seinen Jüngern nicht, wie es im Matthäusevangelium beschrieben ist, auf einem Berg, sondern auf dem Feld. Man nennt diese Stelle im Lukasevangelium „Feldrede“. Doch das Bild stimmt: Jesus ist, wie schon einst (im Alten Testament), der „Große Mose“, der Bringer der Botschaft Gottes. Und da ist Jesus im Lukasevangelium sehr deutlich. 

Unter den vielen Worten stechen natürlich die Worte für die „Soziale Gerechtigkeit“ und auch die damit verbundenen Wehrufe ziemlich deutlich hervor:
„Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“. Und „Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen.“

Lukas ist als der Evangelist bekannt, der gerade die Aspekte von Jesu Wirken hervorhebt, bei denen „soziale Sache“ und die „tätige Nächstenliebe“ im Vordergrund stehen. Für den „Lukanischen Jesus“ ist der Ausgleich und die ausgleichende Gerechtigkeit in den alltäglichen Dingen des Lebens ein Grundanliegen der christlichen Botschaft – und das auch zu Recht.

Sicherlich hat Lukas die damalige Welt des „kleinen Israels“ beschrieben; doch Lukas – als Schriftsteller für die vielen Gemeinden im „Römischen Reich“ – war in gewisser Weise ein „Globalisier“ und damit ein moderner Theologe. Er hatte schon die ganze Welt im Blick, weil die Botschaft Jesus für alle gedacht ist.

Gerne hat man gerade in den letzten Jahrzehnten den Jesus aus dem Lukasevangelium zu einem „Sozialrevolutionär“ oder einen „Aufständischen“ in den Armenvierteln der Welt gemacht. Doch heute im Evangelium kann man heraushören, dass er nicht der Ideengeber eines kommunistischen Traktats ist, das die „Ausbeutung“ aggressiv anprangert und gleich eine „(systemische) Revolution“ fordert. Beim Lesen fällt ins Auge, dass Jesus eine ausgleichende Gerechtigkeit auf Augenhöhe möchte. Er will nicht eine Revolution und er schaut nicht in erster Linie zuerst auf die Systeme. Ihm geht es in erster Linie um den Menschen! Weil wir alle zu Gott gehören, der gerecht ist, ist es uns auch immer eine Aufgabe, in der Gemeinschaft Gottes auf die Gerechtigkeit zu schauen. 

Nicht das System, sondern der Mensch ist wichtig! Deshalb wissen wir auch, dass dort, wo das System über dem Menschen steht, eine Gemeinschaft versagt (das kann man jetzt auch von der Kirche sagen). Doch Jesus hat hier in den Seligpreisungen genaue Anweisung an seine Jüngergemeinschaft gegeben.

Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.

Paulus wird das später formulieren mit den Worten: „Lacht mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden“.  Jesu geht es immer um das „Mit-dem-Anderen-sein“. Das ist für ihn der Motor seiner gerechten Sache und der Nächstenliebe. Nur so ist der „Barmherzige Samariter“ und „die Zachäusgeschichte“ später im Lukasevangelium zu interpretieren.

Wir sagen heute Empathie dazu, wenn wir meinen, dass ich „ganz bei Anderen“ bin, dass ich sie wahrnehme und schaue, was sie bewegt in ihren Sorgen – gerade auch in den ganz alltäglichen Dingen.

Ich denke, das ist auch die Botschaft des Papstes Franziskus, der die Armen im Blick behalten hat. „Die Sorge für jeden Menschen auf dieser Welt“. Der Blick auf die Flüchtlinge und die Ursachen von Flüchtlingsströmen. Die Armen in den Gesellschaften, die Strukturen die Armut begünstigen, aber auch unsere Nachbarn mit ihren Kindern – oft allein erziehend. Oder der Mensch auf der Straße.

Sie alle sind in den Seligpreisungen Thema. Das Einfühlen in die Menschen soll an erster Stelle stehen. Es geht um die Gerechtigkeit, für die Gott selber geradesteht. Denn am Ende wird sein Lohn stehen; das heißt, er wird sich am Ende der Tage um den Ausgleich bemühen, dass auch seine Gerechtigkeit den Wert des Ewigen erhalten wird.

Amen.