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Großzügigkeit und Freude

von Pfarrer Thomas Gruber.

Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen.

Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm:
Sie haben keinen Wein mehr.

Jesus erwiderte ihr:
Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.

Seine Mutter sagte zu den Dienern:
Was er euch sagt, das tut!

Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungssitte der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter.

Jesus sagte zu den Dienern:
Füllt die Krüge mit Wasser!

Und sie füllten sie bis zum Rand.

Er sagte zu ihnen:
Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist!

Sie brachten es ihm. Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es.

Da ließ er den Bräutigam rufen und sagte zu ihm:
Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt.

So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.

Johannes 2,1-11

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitchristen,
in China fand einmal eine Hochzeit statt, und das Brautpaar wollte dazu viele Menschen einladen. Ihnen war es wert, die Freude des gemeinsamen Lebens an andere weiterzugeben. Doch leider war das Brautpaar arm. Es konnte sich nicht einmal den Wein kaufen, um die Hochzeitsgesellschaft mit dem nötigen Getränk zu versorgen. So entstand die Idee, jeden Eingeladenen aufzufordern, selber eine Flasche Wein mitzubringen und diese bei der Hochzeit in ein großes Fass zu gießen. Somit würde also jeder seinen Beitrag an Wein mitbringen und alle hätten wenigstens genug zu trinken. So kamen also die Hochzeitsgäste und einer nach dem Anderen schüttete seine Flasche in das große Fass. Voll Erwartung stand das Brautpaar, nachdem alle eingetroffen waren, am großen Behälter und begannen den Wein zu schöpfen. Doch da kam der Schreck: Der Wein war keine Wein, sondern Wasser. Ein jeder der Hochzeitsgäste dachte sich, mein mitgebrachtes Wasser wird schon nicht auffallen.

Liebe Schwestern und Brüder,
einige schmunzeln schon. Diese Geschichte ist den meisten bekannt und schon öfter erzählt worden. Doch heute möge sie mir als Einstieg und Schlüssel zum „Weinwunder“ von Kana dienen.

Diese Geschichte ist ein leichter Einstieg, denn dass man selbst etwas zu einem Fest mitbringt, ist ja fast allen aus der Praxis bekannt. Beim Weltgebetstag der Frauen, immer Anfang März, ist es der Brauch, dass alle ihren Beitrag zum Essen mitbringen und mit den Anderen teilen.

Man kennt und versteht leicht den Sinn dieser Aktionen: Alle zeigen sich großzügig, niemand rechnet nach, ob man zu kurz kommen könnte oder versucht sich irgendwie davor zu drücken. Alle bringen sich selbst ganz ein und zumeist freut man sich wirklich an der Vielfalt des Mitgebrachten. Und man bringt gerne Verständnis auf, sollte jemand es versäumen, etwas mitzubringen.

Ich denke mit diesem Gedanken kann sehr gut das heutige Evangelium entschlüsselt, erklärt werden. 

Das Weinwunder von Kana ist das erste von sieben Wundern im Johannesevangelium und ist so etwas wie ein Auftaktwunder. Es wirkt irgendwie humorvoll, dass Jesus in seinem ersten Wunder Wasser in Wein verwandelt. Hinter dieser Geschichte steht etwas sehr wichtiges:

Das Weinwunder ist das Gegenteil meiner Anfangsgeschichte: Nicht Wein verwandelt sich in Wasser, sondern Wasser in Wein. Nicht die Raffgier und nicht das kleinkarierte Denken der Hochzeitgäste bestimmen das Geschehen bzw. verderben ein Fest, sondern die unendliche Großzügigkeit und Freiheit Gottes schafft ein Klima der Freude und des Zusammenhalts.

Im Johannesevangelium werden die Wunder nicht „Wunder“ genannt sondern „Zeichen“. Die Verwandlung von Wasser in Wein ist somit ein Zeichen von Gottes Großzügigkeit uns Menschen gegenüber. Dieses erste Wunder darf also auch als ein großes Zeichen von Gottes Großzügigkeit uns Menschen gegenüber gesehen werden. Jesus ist der, der mit seinem ganzen Leben die Güte Gottes (in) der Welt gezeigt hat.

Somit ist dieses heutige Weinwunder Programm Gottes für diese Welt.

Ich meine: „beruhigend“. Würde Gott in seinem innersten Wesen kleinlich alle Fehler aufrechnen, die wir Menschen machen, dann würde es nicht gut ausschauen. „Wein zu Wasser“. Nein, Gott ist kein „minutiöser Buchhalter“ oder überaus „strenger Oberrichter“ im Himmel. Gott ist Liebe und Großzügigkeit. Er ist in seinem Wesen auch „Überfluss“, wie die Kirchenväter sagen. Diese Großzügigkeit Gottes ist der Saft, das Lebenselexier, das uns Leben gibt. „Wasser zu Wein“.

Ich finde, mit dem Weinwunder sagt uns das Evangelium, was uns doch eigentlich klar ist: Wir brauchen in unserem Leben immer wieder diese Großzügigkeit. Im Alltäglichen Leben, wo es soviel um das Rechnen, Nachrechnen und immer wieder auch um den eigenen Nutzen geht. Wenn da nicht ein bisschen Großzügigkeit dabei wäre, wie kalt und dunkel wäre da das Leben!

Jedes Verzeihen, jede Freundschaft, jedes Verständnis füreinander, ja schlichtweg eine jede gute Tat, jede Spende lebt von einem gesunden Anteil an dieser Offenheit und Güte. Wie schrecklich wäre es, machte man etwas nur, um sich irgendwie selbst zu bereichern. Leider trägt die heutige Zeit ein wenig diese Züge. Sicherlich darf keine Ungerechtigkeit oder gar ein Verbrechen übersehen und bagatellisiert werden, alles muss gut angeschaut und in der Sache sehr ernstgenommen werden. Das steht außer Diskussion! Aber wenn alles nur nachgerechnet wird, man sich nur unverzeihlich gegenübersteht oder am Ende nur das „Aufrechnen“ oder gar nur Rache steht, dann wird das Leben sehr schwer und leidet schwer unter dieser „Kälte“. Wir leben auch und vor allem von einem gehörigen Maß an Großzügigkeit und Freiheit. 

Das ist das Wunder, von dem wir leben, das ist das Zeichen, dass wir von Gott abhängen, oder besser gesagt, wir an Gott hängen wie die Reben am Weinstock, so wie es im 14. Kapitel des Johannesevangeliums später gesagt wird. Wir sind in diesem Sinne seine Hochzeitsgemeinschaft. Gott wandelt das Wasser in Wein. Wir leben von seinen Sakramenten. Er verwandelt unsere Enge immer wieder in Weite. Das ist die Aufgabe, die er uns auch immer wieder stellt.

Dass dieses Weinwunder ein schönes Zeichen von Gelassenheit und Offenheit sein kann, zeigt uns schon der Wein selbst. Mit dem Humor des Evangeliums kann man doch sagen, dass der Wein auch wie eine Medizin sein kann. Sicherlich wohl dosiert, sicherlich mit Bedacht und Ruhe, kann ein Gläschen Wein zum Lösen eines Problems mehr beitragen als „ewiges Nachrechnen“, wenn irgendwo ein Fehler passiert ist. „Wo der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens“, sagte schon der griechische Philosoph Euripides. Ein Zeichen, dass wir auch diese Kraft des Großzügigen und des Offenen brauchen, um an das Leben so heranzugehen, dass auch daraus wieder Wunder erwachsen können. 

Amen.