Zum Inhalt springen

Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut?

von Pfarrer Thomas Gruber.

Jesus legte ihnen ein anderes Gleichnis vor:

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein.

Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten:
Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut?

Er antwortete:
Das hat ein Feind getan.

Da sagten die Knechte zu ihm:
Sollen wir gehen und es ausreißen?

Er entgegnete:
Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune!

Matthäus 13,24-30

Liebe Schwestern und Brüder!
Mit einer interessanten kirchengeschichtlichen Episode möchte ich heute diese Predigt beginnen und an das heutige Evangelium vom „Weizen und Unkraut“ herangehen (daher muss man zu Beginn meiner Schilderung – vielleicht – ein bisschen besser aufpassen).

In einer wahrlich schlimmen Lage befand sich das Leben der Kirche im Jahre 400 n. Chr. in den Ländern Nordafrikas. Den Islam gab es damals noch nicht, der kam erst später, und das Heidentum war im Schwinden, die Christenverfolgungen waren bereits vorbei. Das Problem für Glaube und Kirche war ein ganz anderes: Kein äußeres Problem, sondern ein inneres, ein innerkirchliches sozusagen.

Es gab eine gewaltige Spaltung unter den Christen dort, weil man sich schlichtweg sehr uneins war. Ein wahrlich schlimmer Streit war entbrannt, den es zu lösen galt!

Neben der „katholischen“ Kirche bildete sich eine andere Kirche, die sog. „donatistische“ heraus, die teilweise mit Schläger- und Plündertrupps die Gegend terrorisierten. Diese „donatistische“ Kirche, benannt nach ihrem ersten Bischof Donatus und hatte besondere Glaubensvorstellungen, die nicht von ungefähr kamen.

Zum Hintergrund:
Seit dem Ende der Christenverfolgungen kamen viele, die vorher aus Angst vor dem Tod dem Glauben abgeschworen hatten, teilweise reumütig wieder zurück. Sie wollten wieder in die Kirche aufgenommen werden, sie wollten wieder den bergenden Schutz ihrer Glaubensgemeinschaft erfahren. Früher abgefallene und jetzt wieder zurückgekehrte Bischöfe und Priester wollten wieder die Sakramente spenden und ihren Glaubensdienst ausüben.

Aber „Nein!!!“ – so die klare Meinung dieser neu gegründeten „Donatisten“- Kirche:
Wer sich nicht sauber entsprechend der moralischen Ordnungen verhalten hat, wer als „Schwarzes Schaf“ die Kirche beschmutzt und verlassen hat, muss draußen bleiben; in der Kirche haben nur die ganz Reinen etwas zu suchen!
Gleich der „Arche Noah“ (die ja bekanntlich wasserdicht war) muss auch das allumfassende Schiff der Kirche alles abschirmen, was die Sache im Keime schon undicht machen könnte. Wie das abdichtende Pech (von besagter Arche) muss auch die Gesellschaftsordnung der Kirche alles moralisch Schwache von vornherein abschirmen, ersticken oder ausmerzen.

Diese „donatistische“ Kirche mit ihrer strengen Lehre machte dem Glauben wahrlich arg zu schaffen. Das Glaubensleben in Nordafrika drohte auseinanderzubrechen. Das Christentum und die Kirche waren also schon Jahrhunderte vor dem Islam (dort) kurz vor dem Ende.

Liebe Schwestern und Brüder,
es war das heutige Evangelium, welches von den Katholiken – allen voran dem heiligen Augustinus, der damals in Nordafrika Bischof war – ausgiebig angeführt und ausgelegt wurde, um allen klar zu machen:

Die Einheit der Kirche ist nicht die Einheit einer moralisch fehlerfreien und perfekten Gemeinschaft von Menschen. Jetzt braucht in der Kirche noch keiner perfekt sein! Die Einheit unserer Kirche ist vermischt (corpus permixtum)!

Jesus sagt es ja selbst, so die einhellige Meinung der Katholiken von damals:
Die Welt ist ein großer Acker und die Kirche – weil in der Welt – eben auch! Weizen und Unkraut wachsen auch in der Kirche! Wer vermag es im Letzten zu beurteilen, ohne Gefahr zu laufen, sich selber über den Letztrichter, Gott, zu stellen!

„Lasst beides wachsen, Unkraut und Weizen, jetzt kann noch keiner von euch klar unterscheiden, Ausreißen ist noch nicht gefragt!“

Jesus spricht heute in diesem Gleichnis klar und deutlich. Unter Unkraut verstand Jesus das damalige Tollkraut. Dieses sah wirklich fast bis zur Ernte wie der gute Weizen aus und wuchs eng umschlungen mit diesem.

In den sog. Gleichnisreden bei Matthäus bildet dieses Gleichnis fast einen Höhepunkt. Dieses wie alle Gleichnisse dienten den Gläubigen von damals, bildhaft und damit sehr geschickt, um zu erklären, wie „Himmelreich funktioniert“. Mit „Himmelreich“ meint Jesus nicht den Himmel, wie er nach dem irdischen Tod ausschaut. Das kommt noch. Nein! Unter „Himmelreich“ versteht er unsere jetzige Zeit! Unsere Zeit im Leben der Kirche im „Hier und Jetzt“! Als hätte er damit festgelegt, dass die Kirche heute und jetzt nur als „beginnendes Himmelreich“ wirken kann, wenn sie zunächst einmal wächst. Wachsen und Wirken werden zu den Motoren, zu den Triebwerken einer gottgewollten Kirche und damit zu einem Himmelreich in „Anfängen“ schon hier auf Erden.

Um diese Motoren am Laufen zu halten, braucht es eben auch Geduld und Beständigkeit. Ohne diese Eigenschaften wäre ja auch ein echter Gärtner sicherlich fehl am Platz, ohne diese Eigenschaften, gäbe es nur Spaltung und zermürbenden Streit.

Die Kirche in Nordafrika hatte auf Grund der „donatistischen“ Streitigkeiten ihre größte Krise zu bestehen. Das heutige Evangelium war ein wichtiger theologischer Baustein, diese Krise zu meistern.

Und auch heute mag dieses Evangelium vom „Weizen und dem Unkraut“ jedem eine gute Hilfe sein, an die Dinge des Glaubens, ja des Lebens heranzugehen. Sicherlich gilt auch heute: Es geht darum, nicht alles hängen zu lassen in unseren Krisen. Im Gegenteil: Mit seinem heutigen Gleichnis rät uns Jesus zu einer rechten Sorge, schließlich weiß ja auch jeder Gärtner um die Wichtigkeit von Pflege und Sorge.

Jesus rät uns aber auch eine unverzichtbare Klugheit:
Die Geduld im „Wachsen lassen“ und eigenes Durchhaltevermögen sind das A und O, das Gerüst, ja die Grundrechenart des Glaubens und der Gemeinschaft der Kirche!

Gerade unser Verhalten im Umgang mit dem Anderen und uns selbst ist gefragt, wenn Jesus Vergleiche macht. Wie wichtig sind Zähigkeit und Geduld! In wie vielen Dingen braucht man Geduld!

Jesus sagt:
Lasst es wachsen, die Unterscheidung bleibt dem überlassen, der es unterscheiden kann!
Er erntet, nicht wir!

Im Jahre 400 n. Chr. wurde u.a. mit diesem Evangelium der „Donatismus“ besiegt, eine Lehre, in der „Geduld“ keine Stärke war.

Möge Gott uns auch heute in der Tugend der Geduld die Fähigkeit schenken, Glauben wachsen zu lassen: Zum Aufbau des Reiches Gottes, der Kirche!

Amen!