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Karfreitag 2022

von Gemeindereferent Anton Huber.

Liebe Schwester und Brüder im Glauben,
in meiner Kindheit habe ich immer Probleme mit dem Karfreitag gehabt. Dieser Tag war ganz anders als alle anderen Tage. An diesem Tag durfte bei uns kein Radio und kein Fernseher eingeschaltet werden, wir Kinder durften nicht singen und nicht lachen. Auch das Essen ist sehr bescheiden ausgefallen. Dieser Tag ist uns immer ewig lang vorgekommen. Erst spät habe ich den Sinn dieses besonderen Rituals für mich erkannt und meine inneren Widerstände entdeckt.

Der Tag ist geprägt von Verlust und Trauer. Diese Gefühle aushalten, fällt oft schwer. So versuchen viele, sich abzulenken und Gedanken an das unvermeidliche Ende auch des eigenen Lebens, des Sterbens und des Todes von sich wegzuschieben.

Es ist auch die Vermeidung der Frage nach dem eigentlichen Sinn unseres Lebens im Angesicht des Todes und der eigenen Endlichkeit.

Alle diese Gefühle verdichten sich an diesem Karfreitag, an dem wir Zeugen werden der Hinrichtung und des Sterbens unseres Heilbringers Jesus Christus. Mit dem Lesen und Hören der Leidensgeschichte werden wir hineingenommen in die vermeintliche Katastrophe des Todes Jesu. An vielen Stellen kann ich mich selbst erkennen.

Das geht schon los bei Petrus, der in seiner spontanen Art Jesus verspricht, ihn nie zu verraten und sogar bei der Festnahme Jesus mit dem Schwert verteidigt. Aber gleich danach leugnet er verunsichert und verängstigt dreimal hintereinander, Jesus zu kennen. Wir leben ja hier in einer gewissen „Komfortzone“. Wir könnten uns frei zu Jesus bekennen, ohne, wie Petrus oder viele andere Christen rund um den Globus um Leib und Leben fürchten zu müssen. Das ist auch nicht selbstverständlich. Noch nie in der Menschheitsgeschichte sind so viele Christen verfolgt worden wie in unseren Tagen. Ich kann Petrus gut verstehen, dass er so reagiert hat. Wenn mein eigenes Leben in Gefahr wäre, würde ich anders reagieren?

Und da begegnet mir in der Geschichte Pilatus, dem es auch nur darum geht, seinen eigenen Hals zu retten. Er findet an Jesus keine Schuld und verurteilt ihn trotzdem zum Tod. Immer wieder erleben auch wir Situationen, in denen wir Entscheidungen treffen, mit denen wir anderen oder auch unserer Umwelt schaden und sprechen uns selbst frei von Schuld, schließlich könnten wir an der Situation ja doch nichts ändern. Wir waschen, wie Pilatus, unsere Hände rein.

Wir erleben die Soldaten, die ihren Spott treiben mit dem Verurteilten. Viele Menschen leiden auch heute unter Urteilen und Vorverurteilungen durch andere, die berechtigt oder unberechtigt dem Verurteilten jede Würde und Lebensperspektive nehmen. Gerade in unseren sogenannten neuen Medien werden Menschen oft übelst beschimpft und bedroht, wenn sie sich für andere einsetzen bis hin zum Aufruf zum Mord. Und täglich erfahren wir von neuen Gräueltaten, die russische Soldaten an ukrainischen Zivilisten verübt haben und noch weiter verüben.

Dann gibt es die Menschen, die einfach nur dabeistehen, die gaffen und sich am Leid der anderen ergötzen. Und es gibt Menschen, die einem beistehen, wie Maria, „seine Mutter oder Maria von Magdala“, die Jesus treu bleiben bis zum grausamen Tod am Kreuz. Dabei kann ich mir nichts Schlimmeres vorstellen, als sein eigenes Kind sterben sehen zu müssen, wie Maria es erlebt hat. Alle Zukunftspläne platzen, auch wenn Jesus sie noch der Obhut seines Lieblingsjüngers anvertraut.

Die Welt damals wie heute ist keine heile Welt. Mit Jesus geht Gott in das Dunkel des Todes. Jesus konnte diesen Weg gehen im Vertrauen auf Gott seinen Vater, unser aller Vater. All dem Bösen und grausamen, das er erleiden musste, ist er nur mit Liebe begegnet und hat denen vergeben, die ihn zu Tode gequält haben. Diese Liebe, die stärker ist als der Tod und über die Grenzen des menschlich Erträglichen geht, ist das Heil, das uns in Christus Jesus widerfahren ist. Deshalb ist Karfreitag nicht das Ende allen Lebens, sondern der Anfang eines neuen, ewigen Lebens.

Was uns bleibt, ist die Frage:
Wie gehen wir um, mit den Karfreitagen, mit den Katastrophen unseres Lebens, wenn sich unser Leben verdunkelt, wenn ein geliebter Mensch stirbt oder die Grundfeste unserer eigenen Existenz in Frage gestellt werden?
Ist unser Glaube stark genug, dass er uns Halt gibt und durch die dunklen Stunden unseres Lebens trägt?
Sind wir wankelmütig wie Petrus oder schieben wir unsere Verantwortung einfach weg wie Pilatus?

Worauf wir hoffen, ist der Beistand anderer Menschen. Und worauf wir fest vertrauen dürfen ist, dass Gott uns nicht im Stich lässt.

Das ist für mich die Botschaft von Karfreitag!