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Kommt alle zu mir, die ihr Euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde Euch Ruhe verschaffen. (Mt 11,28)

von Pfarrer Thomas Gruber.

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach:

Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.

Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.

Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.

Kommt her zu mir, alle, die ihr plagt und schwere Lasten zu tragen habt; ich werde euch Ruhe verschaffen.

Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Matthäus 11,25-30

Diese Sätze aus dem 11. Kapitel des Matthäusevangeliums lese ich oft, wenn ich Kranke besuche, wenn ich zu Menschen komme, die Leidvolles erfahren haben oder (sogar) wenn ich zu Trauernden spreche, die einen Verstorbenen „beklagen“.

Sehr viele Sätze sind es nicht, die ich vom Evangelium auswendig im Kopf und im Herzen habe; diese Sätze aber gehören dazu:

Kommt alle zu mir, die ihr Euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde Euch Ruhe verschaffen.

Matthäus 11,28

Sie prägen sich ein, weil es eine der Hauptaufgaben in der Seelsorge ist, Trost zu spenden. Da in den schwierigen Momenten des Lebens oft nur das Schweigen bleibt, greife ich auch für mich da oft gerne auf diese Worte Jesu zurück. Damit ich auch selbst nicht nur in der Stille zurückbleibe – und weil es ja auch meine Aufgabe als Seelsorger ist, Christus selbst mit einem Trost(spruch) zu Wort kommen zu lassen.

Diese Worte sagt Jesus zu seinen Aposteln, als er sie in das Leben hinausschickt. Wenn ich diese Worte auch zu „Augenblicken des Todes“ auf den Lippen habe, wollen sie zum Leben führen.

Jesus will uns ins Leben führen und dazu macht er sich „präsent“ in uns. Er spricht mit seinen Worten vom „Lasten abnehmen“; aber er meint damit auch die „gesamte Lebenslast“. Wenn Jesus sagt, dass „er von seinem Vater alles empfangen hat“, dann deutet er sehr eindrucksvoll an, wie nah uns Gott da sein will.

Kommt alle zu mir, die ihr Euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde Euch Ruhe verschaffen.

Matthäus 11,28

Diese Worte sagt er nicht von oben herab. Das ist nicht ein schnelles „Das wird schon wieder“. Er klopft da nicht schnell mal mit Durchhalteparolen auf die Schulter. Das ist kein „Kopf hoch“-Spruch.

Sondern er „macht“ die Last des Lebens „voll mit“.

Er schaut nicht mehr nur zu, sondern ist voll mitten drin, er selbst geht den Weg des Leides vollständig mit, als er seine größte Last, das Kreuz, getragen hat.

Kommt alle zu mir, die ihr Euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde Euch Ruhe verschaffen.

Matthäus 11,28

Er ist den Weg des Leidens auch voll mitgegangen und ist uns damit näher denn je, wenn uns die Lebenslast schwer – vielleicht auch einmal zu schwer – wird.

Wenn einer ein Leid hat, wie auch immer es daherkommt, und wenn es einfach nur die fehlende Liebe und Anerkennung eines wichtigen Anderen ist, ist man damit zu nächst alleine. Doch Jesus – mit seinem Kreuz – „geht voll mit“.

Jesus verwendet heute im Evangelium auch die Worte: „Gott hat den Unmündigen dies geoffenbart“. Als wollte er damit sagen: Ja! Es braucht viel Demut und Unmündigkeit, um Jesus, der im Leid mitgeht, zu verstehen und sein Mitgehen im Leid annehmen zu können.

Zum Thema des Leides, und wie man Leid begegnen und abnehmen kann, fällt mir der berühmte Psychologe C. G. Jung ein. Er hat nach einer Reise in den Fernen Osten festgestellt:

Jeder Kulturkreis hat seine Methode mit dem Leidvollen umzugehen.

C. G. Jung

Im Buddhismus z. B. versucht man, sich aus der Welt hinaus zu meditieren. Das heißt, da versucht man die Leidenschaften und die Empfindungen einfach hinter sich zu lassen (unempfindlich zu werden) und aus der Welt zu „entfliehen“, damit man nicht mehr das Leid spürt. Wie ein Fakir soll man lernen, sozusagen über glühende Kohlen zu gehen.

Im Gegensatz dazu will man in der westlichen Welt das Leid buchstäblich „ertränken“. Man beginnt häufig zu trinken oder man sucht andere Suchtmittel, um sich zu betäuben, und so das Leben im Leid erträglicher zu machen.

Doch das Leid muss angeschaut werden.

Der Weg mit Jesus, der uns als Mitleidender die Lasten abnehmen will, sagt klar: Geh dem Leid nicht aus dem Weg! Ich geh mit Euch mit! Und will Euch so die Lasten abnehmen. Schau Last und Leid an, und – mit der Zeit – nimm es an.

Buddha – im Buddhismus – stirbt entrückt und lächelnd, aber Jesus stirbt mit der Last des Kreuzes.

Der, der das Leid hat, darf schreien, so laut es geht. Jesus stirbt auch für den, der nicht „entrücken kann“ (das Leid also nicht weg meditieren), der nicht mit dem Leid umgehen kann, der sich schwer tut damit – sein Leben lang.

Kommt alle zu mir, die ihr Euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde Euch Ruhe verschaffen.

Matthäus 11,28

So darf ein jeder zu Jesus kommen – ein Kluger und Weiser wird sich da oft schwerer tun als ein Kleiner und Unmündiger.

Eine gute Bekannte, die lange unter Depressionen litt, sagte mir einmal: Für sie in ihrem Glauben hat es gut getan, einen Gott zu haben, der gelitten hat. Für sie war das Kreuz in besonderer Weise ein Schlüssel zu einem tieferen Beten geworden.

Kommt alle zu mir, die ihr Euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde Euch Ruhe verschaffen.

Matthäus 11,28