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Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr

von Pfarrer Thomas Gruber.

Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn:
Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?

Jesus antwortete:
Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!

Er erwiderte ihm:
Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt.

Da sah ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sagte:
Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!

Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.

Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen:
Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!

Die Jünger waren über seine Worte bestürzt.

Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen:
Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.

Sie aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander:
Wer kann dann noch gerettet werden?

Jesus sah sie an und sagte:
Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich.

Markus 10,17-27

Liebe Schwestern und Brüder,

bei dem berühmten Satz „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Himmelreich kommt“ horchen in der Regel immer viele auf. „Geld und Glaube“, „Kirche und Vermögen“, „Religion und Reichtum“ sind ja Reizthemen, die gerne abendfüllende Diskussionen anzetteln.

Die Kirche und das („liebe“) Geld. Kirchenaustritte sind oft finanziell motiviert. Die Verbindung von Staat und kirchlicher Institution wird oft kritisch hinterfragt, gerade wenn es um noch uralte Ausgleichszahlungen herrührend von der Säkularisation geht. Finanzskandale sind neben den Missbrauchsangelegenheiten die schmerzhaftesten für das kirchliche Bild.

Glaube und Geld. Auf der Grundlage des soeben gehörten Evangeliums kann man natürlich auch feststellen, dass das „Geld an sich“ nicht schlecht ist. Viele gute Projekte werden nach wie vor von der Kirche ausgerichtet. Vielen Menschen in Nah und Fern wird durch finanzielle Hilfeleistung geholfen. Caritative Einrichtungen können so oft Menschen helfen. Leider sind Skandale schnell in der Öffentlichkeit, und die unzähligen guten Dinge werden nicht mehr wahrgenommen.

Das Geld und der Glaube. In der Jüdisch-christlichen Tradition galt der Reichtum durchaus als Segen. Dass Geld Segen bringt, ist kein unchristlicher Gedanke. Damit will gesagt sein, dass der Reichtum an sich nicht schlecht ist. In der heutigen Evangeliumsstelle klingt das auch an. Man kann heute sogar heraushören: „Geld verpflichtet“. Sicherlich haben das die 4 verschiedenen Evangelisten unterschiedlich stark Jesus betonen lassen. Lukas zum Beispiel hat die soziale Seite dieser Verpflichtung wesentlich mehr in seinem Werk in den Blick genommen; doch auch beim Markusevangelium (heute) ist die Botschaft deutlich zu vernehmen: Wie gelange ich zum „Ewige Leben“ und wie finde ich das „Ewige Glück“, fragt der reiche Jüngling heute. Und, Jesus betont das äußerst klar: Das rein äußerliche Erfüllen der Gebote reicht nicht aus, um „glücklich für die Ewigkeit“ zu werden. Du erfüllst die Gebote zum Glück erst, wenn auch Dein Herz Gott und den Nächsten liebt. Das schließt mit ein, dass Dein Herz auch die finanzielle Not des Nächsten sieht.

Aus diesem Gedanken des heutigen Evangeliums kann ich aber noch tiefer heraushören, um was es Jesus bei dem Gespräch mit dem reichen Jüngling wirklich geht: Er will sein Herz und damit sein ganzes seelisches Vermögen.

Wenn Jesus im Gespräch herausstellt, dass die Befolgung der Gebote nur einen äußerlichen Aspekt darstellt, dann wird klar, dass er unser Innerstes will, unsere Motivation und damit unsere ganze Liebe.

Jesu Aufforderung an den reichen Jüngling, alles zu verlassen, macht heute deutlich:  Nicht das Geld selber ist schlecht oder gut, sondern der Umgang mit diesem und vor allem, ob es unser Herz „belastet“ („bindet“).

Jesus ist an dieser Stelle des Evangeliums, also im 10. Kapitel, mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Er will seine Jünger zu einem gelungenen Leben führen (was das Kreuz nicht ausblendet). Seine (anfänglich noch unverständigen) Jünger müssen noch lernen, dass es um das richtige Innere, das „richtige Herz“ geht. Jesus redet nun heute mit einem, der alles äußerlich richtig gemacht hat. Jesus will auch ihn mitnehmen und deshalb spricht er das Wichtigere an, nämlich das Innere. Es heißt im Text sehr bezeichnend: „Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb.“

Damit kommt das Wichtigste heute deutlich zum Vorschein: Jesus will kein „verschlossenes“ Herz, das von einer falschen Haltung zum Geld gegenüber verblendet ist. Es geht um ein offenes Herz, das diesen Ballast abschütteln kann. Es geht um eine rechte Antwort auf die Liebe Gottes.

Jeder Mensch, jedes menschliche Herz, hat Sehnsüchte, Sehnsüchte nach dem ewigen Glücklichsein. Doch oft werden die Sehnsüchte mit „Suchterfüllung“ gestillt. Sucht ist immer verdrängte Sehnsucht, sagt eine Lebensweisheit. Wo der tiefste Grund nach Gott leer ist, da drängt sich die Sucht noch viel leichter hinein. Der Psychologe C. G. Jung formuliert es im Blick auf den Reichtum sehr eindrucksvoll: Das Geld verstärkt die Maske, die uns vor unserer oft so erbärmlichen Persönlichkeit versteckt.

Jesus sagt an andere Stelle, die ebenso bekannt ist wie die „Eher geht ein Kamel …“: „Du kannst nicht Gott und dem Mammon zugleich dienen“. Damit will Jesus aufmerksam machen, dass wir ein Herz haben, das von Gott mit Leben beschenkt werden will, und nicht „verklebt“ sein darf von zu „sucht-mäßigem“ Streben.

Er will unser Glück und damit eine richtige Haltung unseres Herzens. Dann wäre die Frage nach dem Geld und der Kirche, dem Glauben und dem Reichtum leicht(er)zu klären.

Vor kurzem habe ich von einem Iraner gelesen, der vom Islam zum Christentum konvertierte und jetzt den Mut aufbringt, in seinem Heimatland für das Christentum einzustehen. Er hat dort interessanterweise festgestellt, dass dort, wo die Leute nicht so viel haben – also ärmer sind, auch leichter wissen, was ihnen noch fehlt. In gewisser Weise zeigt Armut was echter Reichtum ist, … wenn man es im Deutschen so formulieren darf. Dann wird unser Herz offener für das, was wichtig ist.

Amen.