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Über die Sünde | Gen 3,9ff und Mk 3,20ff

von Pfarrer Thomas Gruber.

Gott, der Herr, rief Adam zu und sprach:
Wo bist du?

Er antwortete:
Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.

Darauf fragte er:
Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?

Adam antwortete:
Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben und so habe ich gegessen.

Gott, der Herr, sprach zu der Frau:
Was hast du da getan?

Die Frau antwortete:
Die Schlange hat mich verführt und so habe ich gegessen.

Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange:
Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.

Genesis 3, 9-15

Jesus ging in ein Haus und wieder kamen so viele Menschen zusammen, dass sie nicht einmal mehr essen konnten. Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten:
Er ist von Sinnen.

Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren, sagten:
Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Herrschers der Dämonen treibt er die Dämonen aus.

Da rief er sie zu sich und belehrte sie in Gleichnissen:
Wie kann der Satan den Satan austreiben? Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben. Wenn eine Familie in sich gespalten ist, kann sie keinen Bestand haben. Und wenn sich der Satan gegen sich selbst erhebt und gespalten ist, kann er keinen Bestand haben, sondern es ist um ihn geschehen. Es kann aber auch keiner in das Haus des Starken eindringen und ihm den Hausrat rauben, wenn er nicht zuerst den Starken fesselt; erst dann kann er sein Haus plündern.
Amen, ich sage euch: Alle Vergehen und Lästerungen werden den Menschen vergeben werden, so viel sie auch lästern mögen; wer aber den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften.

Sie hatten nämlich gesagt: Er hat einen unreinen Geist.

Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben draußen stehen und ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum und man sagte zu ihm:
Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich.

Er erwiderte:
Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?

Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte:
Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.

Markus 3,20-35

Heute in der Lesung haben wir die berühmte Geschichte des Sündenfalls gehört. Im ersten Buch der Bibel, dem Buch Genesis, wurde wieder erzählt, wie Adam vom verbotenen Baum der Erkenntnis den Apfel gegessen hatte, weil die Schlange Eva soweit „umgarnt“ hat, so dass sie ihren Adam zu dieser „Regelübertretung“ verführte. So wird die Ursünde beschrieben. Das war der Sündenfall, an dem wir heute noch zu leiden haben.

Oft wurde über diese Geschichte schon geschrieben, nachgedacht und philosophiert. Sogar böse Witze hat man darüber schon angestellt. Wie zum Beispiel die bissige Anekdote: Wenn das Paradies in China gewesen wäre, dann hätte es den Sündenfall nicht gegeben; denn dann hätten Adam und Eva nicht den verbotenen Apfel sondern die Schlage gegessen.

Diese Sündenfallgeschichte kann man lustig nacherzählen; ja; doch man sollte sie nicht falsch auslegen. 

Adam hat den verbotenen Apfel vom Baum der Erkenntnis gegessen. 

Sündenfallgeschichte ist aber nicht eine Geschichte eines gehässigen Gottes, der dem Menschen „die Erkenntnis“ nicht gönnen würde, … der den Menschen Fallen stellt, … der den Menschen gerne eines Vergehens überführen  und ihn dann seine Dummheit vor Augen stellen will und ihn dann mit Schadenfreude aus dem Paradies rausschmeißen möchte.

Die Sündenfallgeschichte ist eine Geschichte, die uns sagt, dass wir Sünden haben können. Die Ursache „Nummer eins“ wird in der heutigen Geschichte darin gesehen, dass der Mensch irgendwie sein will wie Gott. Er will sich von Gott nichts mehr sagen lassen. 

Der Mensch hat die Fähigkeit sich aus diesem Grund zu verfehlen. Augustinus sagte sinnigerweise deshalb, dass wir gar nicht „umhinkönnen“, zu sündigen, weil wir dazu eben fähig sind. Doch die Sünde selber gehört eigentlich nicht zu uns.

Sündigen heißt, wir verfehlen uns. Das griechische Wort für Sünde ist HARMATIA und bedeutet Verfehlung. Heute würde man sagen, wenn wir sündigen, dann folgen wir nicht unserem Kompass oder dann ist unser inneres „Navi“ kaputt. Wir verfehlen das Ziel unserer inneren Bestimmung, welches immer das Gute will und echter Gemeinschaft dient. So wie Tiere ihre Instinkte haben, so hat der Mensch seinen inneren Kompass, der ihn seiner inneren Wahrheit entgegenführt.

Sicherlich beeinflusst sehr viel diesen „Inneren Kompass“ und zwar massiv: Von inneren Antrieben und genetischen Ursachen, über persönliche Familiengeschichten und Biographien bis hin zu großen gesellschaftlichen Faktoren. Doch die Geschichte heute sagt schon, dass wir eine grundsätzliche Ausrichtung auf die Wahrheit hin haben.

Und das Evangelium heute sagt uns auch wieder deutlich, dass Jesus es ist, der diese Verfehlungen, die uns eben passieren, auch in seiner Vergebung und Barmherzigkeit trägt und vergibt.

Wenn Jesus da heute im Evangelium so angefeindet wird, mit Ausdrücken wie „mit Beelzebul treibt er Beelzebul aus“, wollen die Gegner Jesu die Sünde (also die Verfehlung) nur schönreden und sie nicht wahrhaben. Die Gegner Jesus verdrehen nur Tatsachen und machen aus Wahrheit Lüge oder umgekehrt.

Da spricht eine alte menschliche Erfahrung heraus: Wenn es mal um Machtverlust oder um Geld geht, fängt der Mensch oftmals gerne an, plötzlich „rumzueiern“ und Falsches und Wahres zu verwechseln.

Die Sünde braucht Jesus als Gegenüber – also Gottes Geist, den Geist der Wahrheit, und dann kann Vergebung ansetzen. Jesus sagt uns, die Vergebung braucht den Heiligen Geist, der uns auch die „Ewigkeit“ gibt, damit Vergebung wachsen kann bis zur Vollendung. (Bei manchen Verfehlungen braucht es auch die Tür zur Ewigkeit, damit auch da Vergebung geschehen kann.) Die Verfehlung gegen den Heiligen Geist selber wäre da ganz schlecht, so sagt Jesus selber.

Jede Verfehlung, jedes wie auch immer geartetes „Sein wollen wie Gott“, also „über sich selbst erhaben sein wollen“ braucht Jesus als den Vergeber in der Barmherzigkeit. Jeder Mensch darf sich vergeben lassen zu jeder Zeit. Nur so bleibt der Mensch immer auf die Wahrheit hin ausgerichtet. 

Jesus wird am Schluss des Evangeliums sogar sehr scharf – ja sogar etwas pampig, wenn es um die Wahrheit geht.

Da heißt es dramatisch, dass er seine Familie nicht kennt, die ihn zu sich zurückholen will. Die Familie Gottes seien die Glaubenden. 

Das heißt nun nicht: Jesus will, dass wir die Familie verleugnen sollen, sondern im Zuge der Sündengeschichte sollen wir den Clan und die Familienbande nicht über die Wahrheit und Jesu Vergebungswillen stellen.

Hier hat auch die Kirche selbst – bzw. Mitglieder in der Kirche selbst – einschlägige „Erfahrungen“ (= Verfehlungen) gemacht.

Gerade in den Missbrauchsfällen hat man den „Clan“, also die kirchliche Großfamilie, mehr geschützt als die Wahrheit und dabei schwerste Verfehlungen „verheimlicht“ und damit vertuscht. Dabei wurde die Wahrheit selbst mit Füßen getreten, indem die „Missbrauchsverfehlungen“ verleugnet wurden.

Für Jesus selbst ist die Sache klar: ER ist die Wahrheit, das Leben, die Vergebung und die Barmherzigkeit – nur mit ihm und nichts ohne ihn, damit die Wahrheit am Leben bleibt. Und der innere Kompass stimmt. Amen