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Umsonst habt ihr empfangen. Umsonst sollt ihr geben.

von Pfarrer Thomas Gruber.

Jesus zog durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und Leiden. Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Da sagte er zu seinen Jüngern:
Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!

Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.

Die Namen der zwölf Apostel sind:
an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes, Philíppus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus, Simon Kananäus und Judas Iskáriot, der ihn ausgeliefert hat.

Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen:
Geht nicht den Weg zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samaríter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel! Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.

Matthäus 9,35 – 10,8

Zu Beginn der Corona-Krise, als in Italien die Ausgangsbeschränkungen schon voll in Kraft waren, und wir hier in Bayern noch am Anfang des „Tunnels“ standen, habe ich im Fernsehen einen Bericht einer Mailänder Familie gesehen, die gerade dabei war, ihre Situation mit den Quarantänemaßnahmen gut zu meistern. Dabei sind mir dann Worte in Erinnerung geblieben, die der Familienvater am Ende seines Interviews gemacht hat. Worte, die ich am Anfang unserer Quarantänezeit im März auch öffentlich in Artikeln und Gesprächen erwähnt habe:

Wir fühlen uns jetzt (so der ital. Familienvater) als ein Teil der Geschichte, jetzt werden wir alle auch mal in vielen Jahrzehnten in Geschichtsbücher stehen. Wir leben jetzt wirklich in einer geschichtlich bemerkenswerten Krisenzeit. Hart! Aber wir können alle mitwirken. Wir alle miteinander, so dass die gegenwärtige Situation sich verbessert. Gemeinsam und mit vereinten Kräften müssen wir jetzt zusammenstehen und zuhause bleiben. Damit wir „Geschichte schreiben“.

Das hat mich beeindruckt. Wir fühlen uns, mehr als sonst, jetzt als ein Teil der Weltgeschichte. Das habe ich auch gefühlt und erlebt, als wir damals in gewisser Weise zusammengerückt und dann Ende März in diesen (ich möchte es so nennen) „Quarantänetunnel“ eingetreten sind. Oder besser gesagt, in diesen „Quarantänetunnel hineingefahren“ wurden, um die Pandemie in unserem Land in den Griff zu bekommen.

Jetzt, wo wir wieder aus diesem Tunnel – zumindest jetzt in dieser Zeitphase Mitte Juni – herausfahren und schon ein gutes Stück herausgefahren sind, begegnet mir dieses „Evangelium von heute“. Jesus beauftragt die Jünger, seine Botschaft in Israel zu verkünden. Jesus sagt zu denen denen, die er mit ihren zwölf Namen als Apostel bezeichnet: „Jetzt dürft ihr Geschichte schreiben. Jetzt seid ihr daran, mit eurem Tun die Weltgeschichte mitzubestimmen, damit auch Jahrhunderte später die Menschen von euren Taten erfahren.“

Ich gebe zu, der Vergleich, der mir da gekommen ist, ist gewagt und hoch interessant. Doch ich möchte diesen Vergleich ein wenig „ausbuchstabieren“: Die Jünger heute im Matthäusevangelium haben ihre Quarantänezeit mit Jesus hinter sich. Er lehrte sie Demut, in der Bergpredigt zeigt er ihnen, wie es geht, auf das Eigentliche und Wesentliche des Lebens zu schauen. Jetzt gibt er ihnen den Auftrag, hinauszugehen, zu heilen, Dämonen auszutreiben und, ja, Tote zu erwecken. Kurz, er möchte, dass seine Jünger „Gott und das Leben“ in die Welt hinaustragen, dass die Menschen von Gott erfahren, der das Leben, der die Freude und der die Liebe bringt, wo ein jeder erfahren kann, dass er von Gott angenommen ist, selbst wenn er sich als Aussätziger fühlt oder gar sich schon als „tot“ in dieser Welt ansieht.

In meinem „gewagten“ Vergleich möchte ich auf uns in der „Jetztzeit“ schauen. Auf uns, die wir jetzt wieder versuchen mit aller Vorsicht in die Normalität einzutreten. Wir wissen, irgendwie wird wieder alles offener und doch spürt man immer noch diese Vorsicht und dieses Bangen. Man muss noch die Maske tragen und aufpassen. Irgendwie ist man geneigt zu sagen: Das Heraustreten aus dem Tunnel der Coronazeit ist auch noch eine schwere und unsichere Zeit. Aber es gilt nach wie vor: Immer noch „schreiben“ wir alle gemeinsam „Geschichte“, auch wenn ein jeder wieder mehr seine eigenen Wege geht.

Doch Jesus ermuntert uns, jetzt mit Hoffnung und Mut das zu tun, was ja schon seine Jünger getan haben: „Gott und das Leben“ in die Welt hinaustragen, dass die Menschen von Gott erfahren, der das Leben, der die Freude und der die Liebe bringt, wo ein jeder erfahren kann, dass er von Gott angenommen ist.

Wenn Jesus die Namen der zwölf Apostel nennt bzw. diese beruft, heißt das nach wie vor, dass es auf jeden ankommt, egal wie er heißt. Auch jetzt schreiben wir in der Gegenwart Geschichte – aber mit IHM.

Der letzte Satz mag bei meinem Vergleich ein kleiner Schlüssel zu allen Sätzen des heutigen Evangeliums sein:

Umsonst habt ihr empfangen. Umsonst sollt ihr geben.

Matthäus 10,8

Dieses Wort „umsonst“ im Deutschen kann und will da genau die Realität des Glaubens von damals und heute einfangen und beschreiben.

Nicht zu euphorisch und übermütig möchte er uns „haben“, eine gesunde Vorsicht steht uns gut zu Gesicht; doch stets mit Mut und Gelassenheit, damit wir Hoffnung ausstrahlen.

Mit dem Wort „umsonst“ fängt er uns auf zwei Seiten hin auf.

Wenn wir das Wort „umsonst“ im Sinn von „vergeblich“ verstehen, erfahren wir, dass alles seine Grenzen hat. Es wird immer ein „zu wenig“ sein. Es wir immer zunächst auch die Grenze, die Enttäuschungen, das „es ist nie genug“ geben. Als würde so vieles „vergeblich“ geschehen.

Aber das Wort „umsonst“ ist immer auch als „gratis“ zu sehen. Wir bekommen es von Gott geschenkt. Gott ist großzügig. Die Potenziale, die er uns gibt, sind immer größer und stets unermesslich. Wir dürften sie empfangen und brauchen keine Angst haben, dass die Liebe, die Hoffnung und der Glaube ausgeht. Wir müssen da nicht immer nachmessen.

So können wir auch jetzt noch Geschichte schreiben, so wie die Jünger damals Geschichte gemacht haben. Wir müssen nicht nachmessen, was wir leisten. Es gilt: Nur von dem weitergeben, was Gott uns gibt, auch wenn es manchmal zu wenig erscheint.

So werden unendlich viele Tunnel (Coronakrise, Kirchenkrise, Glaubenskrise, Gesellschaftskrise, persönliche Krise, etc. etc.) durchschritten und die Botschaft Gottes bleibt doch immer (kraftvoll). +