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Unter Dämonen

von Gemeindereferent Anton Huber.

 Sie kamen nach Kafarnaum. Am folgenden Sabbat ging Jesus in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen waren voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten. In ihrer Synagoge war ein Mensch, der von einem unreinen Geist besessen war.

Der begann zu schreien:
Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?
Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes.

Da drohte ihm Jesus:
Schweig und verlass ihn!

Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei.

Da erschraken alle und einer fragte den andern: Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht: Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl. Und sein Ruf verbreitete sich rasch im ganzen Gebiet von Galiläa.

Markus 1,21-28

Am Sabbat versammeln sich gläubige Juden zum Gebet in der Synagoge, so wie wir uns sonntags in der Kirche versammeln. Dort werden Texte aus der Heiligen Schrift gelesen und ausgelegt. Das heutige Evangelium erzählt von einem Menschen, der am Sabbat in der Synagoge war und Jesus zugehört hat. Von ihm wird geschrieben, er sei von einem unreinen Geist besessen, von einem Dämon, wie es an anderen Stellen heißt. Sicher war der Mann nicht zum ersten Mal in der Synagoge, sicher hat dieser Dämon schon länger von ihm Besitz ergriffen. Warum aber meldet er sich erst jetzt so lautstark zu Wort, warum hat er den Menschen nicht daran gehindert, den Gottesdienst zu besuchen, wenn er sich vom Wort Gottes bedroht gefühlt hat?

Scheinbar waren die Lesungen bisher für den Dämonen keine Bedrohung, schließlich waren es ja nur auf Papier geschriebene Worte – und Papier ist ja bekanntlich geduldig. Oder, wie es vor einiger Zeit ein kirchlich engagierter Bekannter zu mir gesagt hat, es sei nur Theorie, was in der Bibel steht. Und davon muss sich niemand bedroht fühlen. So haben sich viele Dämonen oder krankmachende Geister auch in unser Leben und in unsere Kirche einschleichen können. Viele können wir sogar benennen: Die Dämonen der Eitelkeit, der Geltungssucht, der Gleichgültigkeit, der Machtbesessenheit – die Liste könnten wir noch lange fortführen.

In allen Bereichen der Gesellschaft finden wir genug Beispiele dafür. Wenn wir in regelmäßigen Abständen von aberkannten Doktortiteln besonders bei Politikern hören und lesen, die um der Eitelkeit willen erkauft und erschwindelt worden sind, wenn wir, wie vor Kurzem, einen amerikanischen Präsidenten erleben, der sich weigert, seine Wahlniederlage einzugestehen, weil er besessen von seiner Macht den Sinn für die Realität verloren hat, dann haben wir eine Vorstellung, wie stark diese krank machenden Geister verbreitet sind.

Selbst in unserer Kirche finden sich Beispiele dafür. Wenn ich an den Dämon aus dem Evangelium denke, der „mit lautem Geschrei“ aus dem Besessenen herausgefahren ist, erinnert mich das an zwei deutsche Erzbischöfe, die den Papst in Frage gestellt haben, weil er ihre Einfluss- und Machtpositionen beschnitten hat.

Auch wenn wir in unser Leben schauen, entdecken wir krank machende Geister, wie den Dämon der Angst, ganz aktuell: der Dämon der Zukunftsangst. Der hat nicht erst seit Corona eine Hochphase: Der Staat hat in Bezug auf die Altersversorgung seiner Bürger vor über 20 Jahren seine Bankrotterklärung abgegeben. Die Menschen werden angehalten, ihre Zukunft auf mehreren Säulen abzusichern. Erst waren es zwei, dann drei Säulen und es sollten immer mehr werden. Die Versicherungswirtschaft rechnet uns vor, wieviel unser Erspartes in Zukunft noch wert sein wird und befeuert so unsere Zukunftsangst und nebenbei auch ihre Umsätze. Und vor lauter Vorsorge für unsere Zukunft übersehen wir die Sorge für die Menschen in den gegenwärtigen Katastrophen, die hungern und nicht wissen, wie sie ihre Kinder über den Tag bringen können.

Vielleicht ist es auch das, was Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth anprangert: Wenn ich Verantwortung für einen Partner oder eine Familie annehme, darf ich trotzdem nicht den Blick auf das größere Ganze verlieren. Aus Angst, der Verantwortung im Kleineren nicht gerecht zu werden, verschließe ich die Augen vor den Nöten der Mitmenschen. Dabei sollte gerade die Erfahrung der Liebe, des füreinander da Seins und des füreinander Sorgens ein Spiegelbild der Liebe und der Fürsorge Gottes sein, das wir nicht Angst besessen fest halten, sondern auch andere Menschen erfahren lassen, denen es nicht so gut geht, wie uns.

Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist eine Heilsgeschichte. Solange sie nur eine geschriebene Geschichte ist, können die kranken Geister gut damit leben. Sogar Präsident Trump hat seinen Amtseid mit der Hand auf der Bibel geleistet. Es hat schon fast einen ironischen Zug, dass sein Nachfolger vieles heilen muss, was sein Vorgänger an Unheil angerichtet hat. Und, was mich fast ein bisschen stolz, macht: Präsident Biden ist Katholik, erst der zweite in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Nicht durch schöne Worte, sondern nur durch unser Tun und Handeln wird die Heilsgeschichte lebendig. So wie der Dämon in unserem Evangelium erkannt hat, dass das Wort Gottes nicht tote Schrift ist, sondern in Jesus lebendig geworden ist, oder, wie es der Evangelist Johannes ausdrückt: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14) in Jesus!

Dagegen kommt er nicht an, gegen die „Voll“-macht Jesu bleibt ihm nur der Rückzug, die Flucht, die er nur noch mit großem Gezeter inszenieren kann.

Liebe Gemeinde,
vielleicht nützen wir die bevorstehende Fastenzeit und machen uns Gedanken über die Dämonen um uns und in uns. Vielleicht gelingt es uns ja, den einen oder den anderen in die Flucht zu schlagen.

Dazu wünsche ich uns allen Gottes Beistand.