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Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt

von Pfarrer Thomas Gruber.

Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.

Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.

Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.

Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.

Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt.

Johannes 15,9-17

Dieses Evangelium war vor genau 27 Jahren (3 x 3 x 3 Jahre) der Predigttext, als ich zum ersten Mal nach meiner Weihe zum Diakon, die am 7. Mai 1994 in Rom stattfand, gepredigt habe.

Diesen kleinen Gottesdienst, bei dem nur ca. 20 Leute anwesend waren – die Familie miteingeschlossen, feierte ich in der römischen Kirche Sant’Onofrio al Gianicolo. Das ist eine kleinen Kirche, gar nicht weit vom Vatikan, am Rande des Gianicolo-Hügels, auf dem das allen Römern bekannte Babykrankenhaus „Bambino Gesu“ steht. 

Ganz persönlich möchte ich dazu sagen: Damals war mein Thema: Werde ich meiner Berufung  als Diakon (und dann als Priester) genügen? Schaffe ich es, die große Botschaft Christi in der Kirche den Menschen nahezubringen, diese also „rüberzubringen“?

Ein Satz des Evangeliums von damals – und heute – ließ mich aufatmen:

Nicht ihr habt mich erwählt sondern ich habe Euch erwählt.

Johannes 15,16

Dieser Satz rückte ein falsches Bild von Gott, dass ich mir gemacht hatte, ein wenig zurecht:
Nicht ich muss „liefern“! Auch wenn ich mich natürlich für den geistlichen Beruf entscheiden musste und auch dafür „mein Bestes geben“ darf. Aber der Satz besagt, dass „er liefert“. Das hat mich aufatmen lassen. Denn: Er hat mich zuerst gewählt. Das fühlt sich wie ein Ruhekissen an, das trägt. Dieses Ruhekissen ist jedoch nicht mit Lorbeeren zu verwechseln, auf denen man sich ausruhen kann.

Eine weitere persönliche Anmerkung zu einem zweiten Satz dieses Evangeliums ergibt sich auch noch: Diese ist dann aus den Erfahrungen der vergangenen 27 Jahren „erwachsen“:

Ich habe euch nicht mehr Knechte genannt, sondern Freunde.

Johannes 15, 15

Jesus untermauert mit diesem Satz seine Liebe zu uns. Auch dieser Satz rückte ein falsches Bild von Gott zu recht, welches ich hatte – was mich ein zweites Mal tief „aufatmen“ ließ. 

Ich verwende diesen Satz gerne, wenn ich mit Menschen bei der persönlichen Beichte spreche. Nach all dem Hören der Fehler, die wir Menschen haben, sage ich gerne: Es ist nicht so schlimm Fehler zu haben, es wäre sehr schlimm, sie nicht mehr sehen zu wollen oder sie nicht mehr sehen zu können. Denn wenn ich sie sehe, dann habe ich mit Gott einen Freund zur Seite, dem ich mich voll „anvertrauen“ kann.

Gott ist kein Kontrolleur, er ist keiner, der wie ein Oberlehrer von uns Bestnoten erwartet, er ist kein kleinkarierter Erbsenzähler, dem nichts entgeht und der uns nur unsere Schlechtigkeit vor Augen halten möchte.

Er ist ein Freund, der seine Stärke darin hat, meine Schwächen zu tragen. Freunde tragen in erster Linie die Schwächen des Anderen und helfen somit, im Leben zu gehen. (Die Stärken des Anderen zu tragen ist nicht die Kunst in der Freundschaft, wenn diese echt sein will).

Echte Freunde lassen die Schwächen leichter werden und helfen so mit, dass wir die Schwächen annehmen und dadurch – was wichtig ist – in den Griff bekommen.

In der wahren Freundschaft kommt echte Liebe zum Tragen. Da sind der Herr und der Knecht eng befreundet, da trägt jeder den Anderen. Da gönnt jeder – sozusagen – dem Anderen das „Herr sein“. Diese Art von Freundschaft lässt aufatmen und leben. Das ist die Freundschaft, die Jesus uns anbietet.

Amen