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Begegnung mit Jesus

von Pfarrer Thomas Gruber.

In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte:
Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, damit er Israel offenbart wird.

Und Johannes bezeugte:
Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.

Johannes 1,29-34

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitchristen!
Unser Papst emeritus Benedikt XVI starb vor zwei Wochen. Wir wissen, er war nicht nur Bischof und dann Papst, sondern auch ein bedeutender Theologe, der viel über den Glauben gelesen, geforscht und nachgedacht hat. Von seinen vielen schriftlichen Werken sind seine Bücher über „Jesus Christus“ Bestseller geworden. Und gerade in den Jesus-Büchern befindet sich ein Satz, der sehr oft zitiert wird, weil er auch sehr wichtig ist.

Benedikt sagte/schrieb sinngemäß:
Das Christentum und damit unser Glaube besteht nicht in erster Linie aus einem Regelwerk und den Geboten, nicht aus einem moralischen Gesetzbuch und nur einem ethischen Anspruch, sondern aus der persönlichen Begegnung mit Jesus dem Sohn Gottes. Die Begegnung mit dem Menschen Jesus ist die Triebfeder unseres Glaubens überhaupt, aus der dann erst die Taten der Liebe erwachsen.

Unter dem Blickwinkel der persönlichen Begegnung kann man auch das heutige Evangelium lesen. Es ist eine Textstelle des ersten Kapitels im Johannesevangelium, und diese ist wirklich sehr dicht an Aussagen, so dass man zehn Predigten dazu bräuchte, um den Inhalt zu erklären.  

Ich möchte bei einer Predigt (und die möglichst kurz) bleiben. Und da hilft mir eben der Gedanke, dass hier die wichtigsten Punkte des Glaubens in der Begegnung Johannes mit Christus schön einfangen werden. Wir Menschen dürfen Jesus immer begegnen. Johannes ist heute derjenige, der eine sehr umfassende Spur legt, wie wir alle Jesus in Zukunft begegnen können. Dabei will ich nur ganz wenige wichtige Punkte herausgreifen. Damit eine persönliche Begegnung mit Gott – in Ansätzen zumindest – geschehen kann. Wir begegnen Gott zusammen mit „diesem“ Johannes. Und vieles wird von dieser Begegnung begleitet.

Da heißt es zum Beispiel im Evangelium von Johannes:
„Seht das Lamm Gottes.“ Er erinnert uns an das Wort des Pfarrers vor der Kommunionausteilung. „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.“ Wenn wir dann die Kommunion empfangen, ist das nicht einfach nur ein Nehmen der Kommunion, sondern ist es eine persönliche Begegnung auf sehr tiefem Niveau. Wir treffen mit ihm wirklich zusammen. Mit dem Begriff „Lamm Gottes“ schauen wir auch auf die Person, der wir begegnen. 

Bei dieser Beschreibung braucht man sicherlich das Verständnis und den Wissenshintergrund des Alten Testamentes. Lämmer wurden geopfert, um die eigene Schuld vor Gott einzugestehen. Sündenböcke wurden geschlachtet, um Sünden zu offenbaren. Aber auch an das Paschalamm kann man denken, also an das Lamm zum Zeichen, dass Gott die Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens befreit hat.

Bei den vielen Erklärungen darf hier im Mittelpunkt stehen, dass in der Begegnung mit Jesus auch all die Schwächen der Menschheit nicht vergessen werden. Nicht in den Stärken halten die Menschen zusammen, sondern in den Schwächen werden Menschen zu wahren Freunden. Gott begegnet uns dort, wo wir in den Schwächen zusammenstehen. Das soll nicht heißen, dass Gott uns keine Stärken schenkt, oder dass wir die schönen Dinge dieser Welt nicht genießen dürften.  Doch dort, wo wir uns als schwache Menschen erfahren, in unseren Sünden, wo wir „aus der Spur“ sind oder wir einfach unsere Unzulänglichkeit erfahren, dort ist die Plattform unserer Gottesbegegnung am weitesten. Eben in der Vergebung oder besser: auf dem Feld der Vergebung. Der Vergebung durch Gott.

In der Begegnung des Johannes mit Jesus steht auch der wichtige Hinweis, dass Jesus „vor“ dem Johannes ist.
Das sagt ganz sicher, dass Jesus einfach ein größerer ist, aber es sagt auch, dass wir kleiner sind. Die Begegnung mit Jesus geschieht – also – auf der Basis der Bescheidenheit und Demut. Mit Bescheidenheit und Demut kommt man dem Herzen der Menschen schneller näher, und auch mit Gott können wir so schneller zusammentreffen. Gott geht es immer um uns.

Johannes redet auch ausführlich davon, dass Jesus getauft wurde und dass er vom Geist erfüllt ist.
Die Lesung aus Jesaia deutet auf diesen Geisterfüllten für uns hin, damit wir ihm begegnen. Taufe und Geist stehen für unsere Sakramente. Jedes Sakrament ist für uns wichtig. Denn die Sakramente sind auch ein wesentliches Zeichen der Gottesbegegnung. In den Kommunionelternabenden weise ich immer gerne darauf hin, dass die Sakramente eine Chance sind, uns auf Gott einzulassen. Sie sind  Rituale, weil Rituale in unser Leben hineingehören. Gerade unsere Rituale können als schön empfunden werden, weil wir damit unserem eigenen Leben begegnen. Jedes Sakrament hat Elemente des Lebens in sich: Wasser, Nahrung, Geruch, Gespräch, Berührung, Körperlichkeit, Entscheidung: Das sind Elemente des Lebens und damit auch Hilfen Gott selbst zu begegnen.

Am Ende steht im Evangelium das Bekenntnis, dass ich mit Jesus, dem „Sohn Gottes“ zusammentreffe.
Hier zeigt Johannes und damit zeigen wir alle, dass wir in der Begegnung mit Jesus Christus Gott Vertrauen schenken dürfen. Wir wissen, dass das Vertrauen momentan in einer großen Krise ist, in Politik und Gesellschaft tut sich das Vertrauen derzeit sehr schwer. Auch in den Familien gibt es Ereignisse, die das Vertrauen schwer erschüttern können, und wir wissen auch, in der Kirche herrscht auch eine Vertrauenskrise. Wenn Johannes Jesus als den Sohn Gottes bekennt, dann will er ihm aber sein ganzes Vertrauen schenken. Eben weil wir Orte und vor allem Personen des Vertrauens brauchen. In jeder Begegnung steckt Vertrauen, sonst würde keine Begegnung zustande kommen.

Johannes lässt uns Jesus so begegnen, dass wir auch Vertrauen in Gott haben dürfen.