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Die Tempelreinigung

von Pfarrer Thomas Gruber.

Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um und zu den Taubenhändlern sagte er:
Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!

Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht:
Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren (Ps 68,10).

Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm:
Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?

Jesus antwortete ihnen:
Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.

Da sagten die Juden:
Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten?

Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.

Johannes 2,13-22

Für jeden Besucher ist es sehr beeindruckend: Das Modell des alten Jersusalems (ca. 66 n. Chr.) im Israelmuseum in der Hauptstadt Israels (siehe Bild).

Der Tempel als Bauwerk macht einen sehr gewaltigen Eindruck – in Größe und Mächtigkeit. Man versteht, dass dieser Bau wirklich der Kristallisationspunkt von Hoffnung, Größe, Strahlkraft, Geborgenheit & Vertrauen der Juden von damals war. Jede Gemeinschaft kennt solche Bauten (von Regierungssitzen, über Stadien bis zu Vereinshäusern). Der Tempel war damals ein religiöses und nationales Zeichen von größter Wichtigkeit und Zentralität. Der Tempel hat wirklich die glaubenden Menschen von damals zusammengehalten.

Im heutigen Evangelium wird dieses Zeichen gewissermaßen „umgepolt“, „verwandelt“, „neu ausgerichtet“, wobei diese „Verwandlung“ für den Menschen zunächst völlig unverständlich ist. So beschreibt eben auch der Evangelist Johannes:

Jesus Christus als Mensch wird zum „Tempel der Hoffnung“.
Das heißt, nicht mehr das Äußere und seine Baupläne, sondern das Innere, also der Mensch mit allem, was dazu gehört, wird zum Kristallisationspunkt der Hoffnung und des Vertrauens gemacht. Das Äußere ist diesem dann nur noch nach- bzw. untergeordnet.

Diese „Umpolung“ steht unter dem Eindruck der Zerstörung des Tempels von Jerusalem im Jahre 70 nach Christus durch die Römer. Damit wird auch die Zerbrechlichkeit „dieser äußeren“ Faktoren nochmals angesprochen – gewissermaßen unbewusst thematisiert.

Doch jetzt ist nicht mehr der Palast, also das Programm, das Baukonzept, das moralische Programm, das Äußere das Erste, sondern nur noch das Zweite! Also das, was einem Ersten dienen soll, ja muss: Gott kommt eben nicht als Palast oder Bauprogramm oder Konzept und Vorschrift (moralischer Art), sondern als Mensch:

Jesus als der Sohn Gottes wird Mensch, um die Liebe des Menschen zum Mittelpunkt zu machen. Der „Mensch“ steht für Beziehung, Vertrauen, Verzeihen, Hoffen und Bangen, vor allem für das selbstlose Lieben.

Ex-Papst Benedikt hat es in seinem Jesusbuch sinngemäß so ausgedrückt:

Christliches Glauben ist nicht in erster Linie moralische Programme einzuhalten, sondern in einer Beziehung der Liebe mit Jesus zu stehen und dann daraus zu handeln.

Papst Benedikt XVI

Diese Erkenntnis ist wichtig und wird gewissermaßen zum „Flaschenhals“ (= Kernpunkt) unserer Erlösung und damit unseres ganzen Glaubens.

Dieser „Flaschenhals“ hat ein interessantes Detail:
Jesus wird hier an dieser Stelle irgendwie auch „gewaltsam“. Er stößt die Tische der Händler auf dem großen Tempelgelände um und verlässt für Augenblicke seine doch eigentlich recht friedliche Haltung. Diese Gewalt ist aber keine Aufforderung, mit Gewalt den Glauben zu erzwingen. Das Evangelium spricht hier nicht von Revolution mit Toten und Verletzten! Auch die Schäden scheinen überschaubar zu sein. Das bedeutet also eher: Dies ist ein Zeichen der Leidenschaft und des Eifers, wenn die Liebe um das Leben am Werk ist (siehe der Hinweis auf den Psalm 68,10). Sie bezieht alles Menschliche in den Glauben mit ein. Nichts wird stoisch („kalt und leidenschaftslos“) hinter sich gelassen oder ausgeblendet. Die Liebe um den Menschen ist (und bleibt) leidenschaftlich. Gottes Liebe für uns.

Da sich in der Szene aus dem Evangelium diese Leidenschaft der Liebe mit dem Geld (der Tempelhändler) auseinandersetzt, darf natürlich schon gesagt sein, dass der Gegensatz „Gott oder Mammon (Geld)“ immer ein neuralgischer Punkt im Glauben ist. Das Nachdenken über einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld gehört wohl auch für Jesus wesentlich zum Glauben dazu. (Jesus „schreit“ natürlich  immer „leidenschaftlich“ „auf“, wenn verantwortungsloser Missbrauch gegenüber dem Kleinen und Schwachen geschieht.)

Letztendlich ist diese Stelle, an der Jesus selber zum „Tempel der Hoffnung“ wird, aber auch eine Vorankündigung: Unter dem Eindruck der Zerstörung des Tempels wird auch der Karfreitag schon „thematisiert“ (siehe Vers 22 im Evangelium):
Die Liebe Gottes im Menschen und um den Menschen ist ja schließlich auch etwas „Zerbrechliches“ und durchwandert somit auch den Schmerz, das Kreuz und die „Gewalt“ des Karfreitags, um zur Auferstehung also zum Ewigen Leben zu kommen.

Dieser Eindruck wird heute schon angekündigt, der Karfreitag kommt nicht „auf nüchtern Magen“.

Das ist unsere Hoffnung:
Nach dem Leid kommt das Leben und alles Leid ist auch Chance für das Leben, diese Hoffnung darf nicht „liegen bleiben“!

Übrigens:
Auch der Tempel der Juden bleibt Hoffnungszeichen für unsere Glaubensbrüder im Judentum! Wenn man nämlich Jerusalem besucht, kann man etwas Interessantes entdecken: Auf den Gräbern gegenüber des Tempelbergs liegen (leicht aufgetürmt) Steine und nicht Blumen. Das hat einen religiösen Grund: Mit diesen Steinen bauen alle am Wiederaufbau des neuen Tempels mit, wenn – im jüdischen Glauben – nach der Auferstehung der Messias wiederkommt, um sein Reich der Hoffnung neu zu errichten.