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Erinnerung

von Pfarrer Thomas Gruber.

Jesus antwortete und sprach zu ihm:
Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat.

Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin.

Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Ihr habt gehört, dass ich euch gesagt habe:
Ich gehe hin und komme wieder zu euch.

Hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich. Und jetzt habe ich’s euch gesagt, ehe es geschieht, damit ihr glaubt, wenn es nun geschehen wird.

Johannes 14,23-29

Schwelgen Sie gerne in Erinnerungen?
Schauen Sie sich gerne Fotoalben von früheren Hochzeiten oder anderen Festlichkeiten an?
Lieben Sie Filme oder Handy-Videos von besonderen Ereignissen im Leben? 

Erinnerungen bestimmen unser Leben:
Geburtstage, Feiertage und/oder Gedenkveranstaltungen prägen unsere Kultur. Und, je weniger unsere Kultur die Erinnerung pflegt, desto mehr läuft sie die Gefahr, in die Oberflächlichkeit abzurutschen. Es gibt sogar Kritiker, die die Oberflächlichkeit unserer Zeit geißeln und die heutige Zeit mit ihrer Vergesslichkeit gegenüber den früheren Traditionen als riesige Demenzkrankheit unserer Zeit sehen.

Erinnerungen prägen unsere Gesellschaft. Vieles Vergangene wird gerne genommen, um damit die Gegenwart zu interpretieren. Manche übertreiben sogar damit, um mit ihrer Auslegung der Erinnerung eigene Interessen durchzusetzen.

Aber eines ist klar: Wir brauchen unsere Erinnerungen so wie der Körper das Wasser.

Erinnerungen sind nicht nur für die Seele jeder Gemeinschaft prägend, sondern auch für die Psyche jedes Einzelnen: Das Erleben der Kindheit, die Erinnerung an die Liebe der Eltern, Erfahrungen in der Jugend und vor allem auch schreckliche Ereignisse prägen unsere Seele – noch mehr, als eine Münze von irgendwelchen Mustern geprägt ist.

In einer etwas überzeichneten Form hat sogar die „alte Philosophie“ ausgehend von Platon schon viele Denker (besonders Augustinus) dahingehend beeinflusst. Diese behaupteten, dass der Mensch, wenn er etwas lernt – oder überhaupt etwas weiß – sich doch eigentlich nur daran erinnert, was ohnehin schon vorher (von Gott) in seine Seele tief eingeprägt war bzw. ist. Unser Wissen wäre somit nur ein „Freikratzen“ unserer ureigenen Prägung.

Heute im Evangelium spricht Jesus auch vom erinnert werden – an das, was Gott in unserer Seele tief eingeprägt hat und von dem Geist, der diese tiefe Prägung freilegen will:

Der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

Johannes 14, 26

Die Erinnerung an den Sinn des Lebens, an unsere Herkunft und an das Ziel unseres Lebens ist elementar. Im Abendmahlsaal heute im Evangelium wird Jesus zum Erinnerer. Sein Geist tut es, wenn Jesus nicht mehr unter den Seinen ist – heute wie damals. Hier kommt der deutsche Wortstamm des Ausdrucks so richtig zur Geltung: Wir dürfen in uns gehen und durch Jesu Worte erfahren, dass er in uns ist. Er steht zu uns und er begleitet uns auf unserem Weg durch „Dick und Dünn“.

Ein Blick auf die gesamte Bibel zeigt uns: Das Innewohnen des Wortes Gottes ist Ausdruck einer „alten Gläubigkeit“. Schon im Alten Testament glaubten die Menschen fest daran, dass Gott mit seinem Liebesbund tief in uns Menschen wohnt. Wir müssen nicht neu dazu lernen, sondern nur die Erinnerung ausgraben. Der Glaube braucht den „Geist der Erinnerung“, der mehr ist als nur ein „in Erinnerung schwelgen“, so als ob man sich damit betäuben müsste. Es ist vielmehr ein sehr lebendiger Geist, der nicht ausblendet, sondern uns in unserer Gegenwart begleitet – also nicht nur auf Vergangenes verweist.

In einer Hochzeitspredigt habe ich einmal ein Fotobuch als Symbol von gelingender Liebe verschenkt und mir dazu überlegt: Wenn das Herz es schafft, sich die Bilder der Erinnerung an die Hochzeit und an die damit verbundenen schönen Erlebnisse immer wieder herzublättern, dann ist die Liebe zwischen zwei Menschen auch in Krisen geschützter. Klar ist das kein Rezept, welches auf Knopfdruck funktioniert. Es ist eher (auch) ein Werk eines „Guten Geistes“, für den es ein offenes Herz braucht.

Unser Inneres möge immer offen sein, damit der Geist Gottes uns immer an Gottes Liebe erinnert, die durch Jesus auf diese Welt gekommen ist. Amen