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Fürchtet euch nicht! Sonntagspredigt zu Matthäus 10,26-33

von Pfarrer Thomas Gruber.

Jesus sprach zu seinen Aposteln:

Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern!

Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!

Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.

Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.

Matthäus 10,26-33

In zwei Schlagzeilen, in zwei Slogans, in zwei Sätzen könnte man dieses Evangelium von heute gut zusammenfassen! Zwei Sätze, die wie eine „Essensverpflegung“ mit nach Hause genommen werden könnten!

Der erste und wichtigste Satz heute ist: „Fürchtet euch nicht!“. Dieser Satz ist und bleibt immer sehr nahrhaft.

Jesus sagte damals diesen Satz mehr als einmal seinen Aposteln, als er sie aussandte, den Glauben zu verkünden! (Das Evangelium von heute sind verschiedenste Sprüche Jesu aus der „Aussendungsrede“ – der zweiten großen Rede nach der Bergpredigt – bei Matthäus). Wie einen Reiseproviant gibt Jesus seinen Apostel die Furchtlosigkeit mit auf den Weg!

Diese Furchtlosigkeit durchzieht das Evangelium wie ein roter Faden und will auch unser Leben durchziehen! Jesus redet auch zu uns: „Fürchtet Euch nicht!“.

Wie oft kann man heute in den Zeitungsumfragen lesen: „Vor was haben die Deutschen am meisten Angst?“ Krankheiten, wie in der derzeitigen Coronakrise, Verlust eines Menschen, Schicksalsschläge. Dinge also, die uns sehr wohl in ihren Bann ziehen. Wir alle leben bewusst und unbewusst in Ängsten und Furcht. Und da trifft Jesu Wort direkt in unser Inneres! In ermutigenden Bildern entgegnet heute Jesus mit einem „Aber trotzdem! Jetzt erst recht: Fürchtet Euch nicht!“ Im Glauben geht’s darum, die Ängste zu bändigen und sich letztendlich nehmen zu lassen!

Das schöne Bild von den Spatzen, die bereits von Gott geliebt werden, und den Haaren, die Gott einzeln wachsen lässt, und dem Vergleich, dass wir „so viel“ mehr wert sind, wird für uns heute wieder einmal mehr zu einem Merksatz: Gott hält seine Hand über uns!

Angst, so berechtigt sie in den meisten Fällen im Leben auch sein kann, für sich alleine lähmt und blockiert nur! Die „Furchtlosigkeit“ befreit gewaltig!

Eine zweite Schlagzeile ist allerdings auch herauszuhören: „Passt allerdings auch auf!“. Die „Furchtlosigkeit“ ohne die „Vorsicht“ wäre naiv! So wie die Furchtlosigkeit leichtsinniger Kleinkinder, die auf offener Straße spielen!

Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!

Matthäus 10,28

Jesus sagt das zu den Apostel, die allesamt bis auf einen das Martyrium, also den Tod um des Glaubens willen, erlitten haben! Für den damaligen Zuhörer war das sicher ein wichtiger Satz, um dieses Glaubenszeugnis der Apostel zu verstehen! Die Apostel haben auf alles im irdischen Leben verzichten können, weil sie sich ihren Glauben nicht haben nehmen lassen!

Auch dieser Satz mag und muss in das „Heute“ hineinklingen! So wichtig die leiblichen Dinge sind! Das alles soll/darf uns nicht in zu viele Sorgen hineinziehen! „Vergesst das Entscheidende nicht: Eure Seele und das so wichtige Vertrauen in den, der euch die Furcht abnehmen und über den Tod hinaus retten kann!“ mag Jesus uns heute zurufen.

Die Gefahr, Gott aus dem Leben zu entfernen, die Allmacht des Allerhöchsten zu vergessen und den Glauben aus unserm Leben aus unserem Lauf des Lebens auszugrenzen, darf uns sehr wohl Sorgen bereiten. Romano Guardini sagte einmal: „Der Mensch ist ohne Gott als Mensch gar nicht denkbar!“ Ohne Gott zu sein, wäre wie ein Leben ohne Wasser! Ohne Gott zu leben, wäre wie das Atmen vergessen!

Unser Glauben und jede Minute, die für ihn genutzt wird, ist wie der Brunnen zu diesem Wasser auf unserem Lebensweg!

Unser Lebensweg ist eben eine Wanderung, oftmals in wegloser Wüste, wo Gott und seine Geschenke die Oase und die Brunnen des Lebens sind!

„Passt auf!“ könnte man in unsere Zeit uns Christen immer wieder zurufen!

Wie viel in der Gesellschaft und unserem betriebsamen Tun raubt uns den Reiseproviant oder besser gesagt das Wasser, ja schüttet uns unsere Brunnen für Gott zu! Wie leicht machen wir uns Sorgen um die weniger wichtigen Dinge? Wie oft vergessen wir dann, was wirklich wichtig ist? Wie oft ist es unsere Gesellschaft in den Mühlsteinen der Medien und wachsender Globalisierung, die uns immer mehr zu einer sogenannten „Fast-Food-Gesellschaft“ ohne Tiefgang umformen kann! Wie lange kann das gesund sein? Zum Wort „Fast-Food-Gesellschaft“ fällt mir ein Kinofilm ein, der in Amerika gelaufen ist: „Super-size-me“. Da unterzog sich ein Mann dem Selbstversuch, sich 30 Tage lang ausschließlich in einem Fast-Food-Geschäft zu ernähren. Der Mann wurde daraufhin wirklich krank!

Wie wichtig ist also die von Jesus gebotene Vorsicht, wenn es um unsere „Fast-Food-Gesellschaft“ geht. „Passt auf!“ sagt Jesus.

Liebe Schwestern und Brüder! „Passt auf“ und doch: „Seid ohne Furcht!“ Das sind die Schlagzeilen und Leitsätze, der heutigen Frohbotschaft! Wir haben einen Gott, der sich zu uns bekennt bedingungslos (Matthäus 10,33)!

Das heutige Evangelium hatte mit diesen seinen Leitsätzen über Jahrhunderte seine Wirkung, weil so viele Menschen auf ihrem Gang durch die Wüste dieser Welt und in Gott das Wasser und den Reiseproviant ihres Lebens sahen! Und auch dafür eindrucksvoll Zeugnis gaben!

Eines der bekanntesten Zeugnisse gab Dietrich Bonhoeffer, der sein Leben im KZ für den Glauben ließ: Er lies sich vom heutigen Evangelium die Kraft für sein Leben geben und schrieb dazu:

Die Macht, die den Menschen für kurze Zeit auf dieser Erde gegeben ist, ist nicht ohne Gottes Wissen und Willen. Fallen wir in der Menschen Hände, trifft uns Leiden und Tod durch menschliche Gewalt, so sind wir doch dessen gewiss, dass alles von Gott kommt. Wir sind in Gottes Händen! Darum fürchtet euch nicht!

aus Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945): Nachfolge, 1937.

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