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Hier bin ich!

von Gemeindereferent Anton Huber.

Im Todesjahr des Königs Usija, da sah ich den Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel aus. Serafim standen über ihm.

Und einer rief dem anderen zu und sagte:
Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen. / Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit.

Und es erbebten die Türzapfen in den Schwellen vor der Stimme des Rufenden und das Haus füllte sich mit Rauch.

Da sagte ich:
Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und mitten in einem Volk unreiner Lippen wohne ich, denn den König, den HERRN der Heerscharen, haben meine Augen gesehen.

Da flog einer der Serafim zu mir und in seiner Hand war eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Er berührte damit meinen Mund und sagte:
Siehe, dies hat deine Lippen berührt, so ist deine Schuld gewichen / und deine Sünde gesühnt.

Da hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte:
Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?

Ich sagte:
Hier bin ich, sende mich!

Jesaja 6,1-2a.3-8

Es geschah aber: Als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennesaret und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.

Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon:
Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!

Simon antwortete ihm:
Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.

Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen. Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.

Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte:
Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!

Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten; ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten.

Da sagte Jesus zu Simon:
Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.

Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.

Lukas 5,1-11

„Hier bin ich“, lautet die Antwort des Propheten Jesája auf die Frage des Herrn: „Wen soll ich senden?“.
Jesája hat sich zuerst nicht für seine Aufgabe würdig gesehen, denn als Mann unreiner Lippen wohne er mitten in einem Volk unreiner Lippen. 

Wenn ich mich hineinversetze in die Situation und überlege, wie oft mir Worte über die Lippen kommen, die nicht ernst gemeint sind, provozieren oder andere sogar verletzen, wieviel sinnloses Zeug ich so im Lauf einer Woche von mir gebe, dann sehe ich das schon als große Herausforderung hier oben zu stehen, Gottes Wort zu verkünden und auszulegen. Es ist eine große Spanne zwischen dem Anspruch, Gottes großem Wort gerecht zu werden und meiner kleinen menschlichen Wirklichkeit. 

Diese Spanne spürt auch Petrus in dem Moment, wo er sich auf Jesus einlässt und mit einem überreichen Fischfang beschenkt wird, der sein ganzes handwerkliches Können als Fischer in Frage stellt. „Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch“, so versucht Petrus, sich der Faszination Jesu zu entziehen. Aber Jesus hält an ihm fest, durch Menschen will das „Geschenk Gott“ zu den Menschen kommen, zu den Sündern durch Sünder, die wissen, dass sie nur durch die Gnade Gottes wertvoll sind. Jesus ermutigt Petrus und uns alle mit dem Aufruf: „Fürchte dich nicht“! Er ruft uns auf, uns auch zu trauen für Gottes gerechte Welt einzustehen. Petrus ist Jesus nachgefolgt und hat sich trotz seiner Ängste und menschlichen Schwächen treu bis in den eigenen Tod am Kreuz als der Menschenfischer erwiesen, zu dem Jesus ihn erwählt hat.

„Hier bin ich“ war meine Antwort auf den Aufruf meines Namens bei der Aussendung der Gemeindereferentinnen und -referenten vor 16 Monaten. In letzter Zeit werde ich immer öfter gefragt, ob ich den Schritt in den pastoralen Beruf inzwischen nicht bereut habe. Gerade in diesen Wochen drängt sich die Frage auf: Für was stehe ich mit meinem Leben ein, wofür halte ich meinen Kopf hin, wenn wir als Kirche erfahren, wie weit sich unsere Entscheidungsträger vom Evangelium entfernt haben, wie sie in ihrer Fürsorge- und Aufsichtspflicht versagt haben, nur um nach außen gut dazustehen?

Jeder verzweifelte Versuch, sich für die Versäumnisse der Vergangenheit zu rechtfertigen, offenbart bei den Verantwortlichen noch tiefere Abgründe der mangelnden Schuldeinsicht und treibt noch mehr Gläubige zu den Standesämtern, um aus der Kirche auszutreten. Das Netz der Menschenfischer hat große Löcher bekommen und droht zu zerreißen. Und jetzt sollen es die längst überfälligen Reformen richten? Es täte unseren Verantwortlichen gut, sich wie Jesaja oder Petrus einzugestehen, wie weit sie in ihrem Denken und Handeln von dem entfernt sind, was Gott für uns vorgesehen hat, nämlich ein Segen zu sein für alle Menschen, heilsam, nicht verletzend und verderbend! So könnte wenigstens ein Teil der Glaubwürdigkeit der Institution Kirche wieder hergestellt werden und ein echter Neuanfang geschehen. Ein „Augen zu und durch“ führt von einer Katastrophe in die nächste! Viele trauen unserer Kirche nicht mehr zu, diese Krise zu überstehen, in der sich die Menschen nicht nur von der Kirche abwenden, sondern sogar noch den Glauben verlieren. Es geht inzwischen um mehr als nur die zählbaren Kirchenmitglieder. Der Glaube an Gott und unser Zutun an der Verwirklichung seiner Gerechtigkeit auf Erden ist für mich alternativlos.

Wenn es auch zunehmend sinnlos scheinen sollte, uns für den Erhalt unserer Glaubensgemeinschaft einzusetzen, so dürfen wir uns auch Petrus zum Beispiel nehmen, der trotz besserem Wissen, wider alle Vernunft, noch einmal die Netze ausgelegt hat und dafür mit einem großen Fang überrascht worden ist.