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Über den Tod

von Pfarrer Thomas Gruber.

Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, das Reich der Unterwelt hat keine Macht auf der Erde; denn die Gerechtigkeit ist unsterblich. Denn Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht.
Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt und ihn erfahren alle, die ihm angehören.

Weisheit 1,13-15

Jesus fuhr wieder ans andere Ufer hinüber und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war, kam einer der Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm.

Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte:
Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt!

Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutfluss litt. Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden. Sie hatte von Jesus gehört.

Nun drängte sie sich in der Menge von hinten heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich:
Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt.

Und sofort versiegte die Quelle des Blutes und sie spürte in ihrem Leib, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.

Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte:
Wer hat mein Gewand berührt?

Seine Jünger sagten zu ihm:
Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt?

Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte. Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit.

Er aber sagte zu ihr:
Meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.

Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten:
Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger?

Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher:
Fürchte dich nicht! Glaube nur!

Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers.

Als Jesus den Tumult sah und wie sie heftig weinten und klagten, trat er ein und sagte zu ihnen:
Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.

Da lachten sie ihn aus. Er aber warf alle hinaus und nahm den Vater des Kindes und die Mutter und die, die mit ihm waren, und ging in den Raum, in dem das Kind lag.

Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm:
Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!

Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt. Die Leute waren ganz fassungslos vor Entsetzen. Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.

Markus 5,21-43

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitchristen am heutigen 13. Sonntag im Jahreskreis.

Anbetrachts der heutigen Texte will ich mit der großen und wohl auch schon öfters gestellten Frage beginnen: „Was ist für uns der Tod? Was bedeutet für uns der Tod?“ Bei dieser „erschreckenden“ Frage, denkt der Mensch in der Regel zunächst an den leiblichen Tod, ich nenne ihn den medizinischen Tod. Er tritt ein, wenn die Körperfunktionen aufhören, wenn das Herz nicht mehr schlägt, wenn die Lunge nicht mehr atmet, wenn die Pupillen keine Regung mehr zeigen. Dieser Tod berührt natürlich auch immer unsere Seele, wenn ein Mensch geht, oder wenn ich selbst mit diesem Gedanken in Verbindung komme, bewegt sich meine Seele. Der medizinische Tod ist ein Scheidepunkt unserer Existenz, egal ob nach langem satten Leben oder bei einem tragischen Tod, – da natürlich dramatisch spürbarer.

Liebe Schwestern und Brüder, beim Blick auf die heutige Lesung aus dem Weisheitsbuch gibt es aber noch einen anderen Tod, der laut den Worten des Autors der Lesung für uns noch viel gravierender einzuschätzen ist, es ist der geistige Tod. Damit ist der Tod als radikales Abschneiden von Gott gemeint. Gott ist Geist (Joh 4) und Gott will nicht diesen Tod, heißt es da und damit wird der Tod als „Herauskapseln“ aus der Gemeinschaft mit Gott und damit das Herausschneiden Gottes aus meinem Herzen gemeint. Für eine höhere und neu allumfassende Sichtweise wirbt also dieser Lesungstext.

Der wahre echte dauerhafte Tod ist das „Heraus-geschnitten-sein“ aus der Gemeinschaft mit Gott. 

So gesehen kann ein Mensch auch nach dem medizinischen Tod immer noch „geistig“ lebendig sein, wenn er in enger Verbindung von Gott einen neuen Leib bekommt und in der Ewigkeit lebt; so gesehen kann der Mensch aber auch jetzt schon tot sein, bevor der medizinische Tod eingetreten ist, wenn er sich abschneidet von seiner übergeordneten Bestimmung, nämlich von der Bestimmung ein von Gott geliebtes Geschöpf zu sein. Wenn er sich einigelt in sein Ego.

Der Heilige Franziskus in seinem berühmten Sonnengesang unterscheidet unter diesen beiden „Tode(sarten)“: Der „medizinische Tod“ gilt für ihn als „Bruder“; denn er gehört ja unweigerlich auch mit allem seinem Schrecken zum Leben dazu. Wer kann ihm entrinnen? Der zweite Tod (der „geistige“) will ihm aber nichts mehr anhaben; denn dieser ist durch Jesus Auferstehung besiegt und kann den ersten Tod damit bändigen!

Liebe Schwestern und Brüder, dieser Blick mag uns auch gegeben sein und anleiten, wenn wir auf das heutige Evangelium schauen:  

Das heutige Evangelium hat beide „Todesarten“ fest im Blick! Zwei echte Wunder, die in einem innigen Zusammenhang stehen, kommen auf´s Tablett: Eine Frau, die an einer schrecklichen Krankheit litt, 12 Jahre lang – und damit eigentlich schon sozial tot war und dem medizinischen Tod fast ins Auge blicken muss und ein Mädchen mit 12 Jahren, das den medizinischen Tod eben gerade erlitten hat. Der Vater Jairus bittet Jesus inständig, er möge (noch) etwas tun. 

„Jairus“ heißt übrigens übersetzt „er erweckt“.

Das Evangelium war heute sehr lang, weil es eben zwei Geschichten waren mit demselben Thema.

Doch die innere und tiefe Aussage mag anrührend und kurzweilig sein, weil Jesus selbst berührt/anrührt – und er  berührend „in der Tat“ auch ist.

Er wird uns hier bereits vor Augen gestellt als der, der den Tod fest im Griff hat. Er ist der Sieger und Beherrscher des „geistigen Todes“, der hier schon – vor dessen Auferstehung – keine Macht mehr hat. Mit dieser eindeutigen Macht – also – hat er auch den „medizinischen Tod“ im „Griff“. Der „medizinische Tod“ findet zwar statt, (- das ja , – abgeschafft wird er im Evangelium nicht.) Doch die Macht des „medizinischen Todes“ verliert mit Gottes Eingreifen eindeutig seine Kraft und Wirkung. Er wird relativiert.

Das „Zauberwort“ heißt Glaube: „Dein Glaube hat dir geholfen – Glaube nur“ (Markus 5,34). Da sind zwei Menschen, die durch den Schrecken des medizinischen Todes in ihrer Not  arg „gebeutelt“ werden. Die Frau und der Vater Jairus zeigen Vertrauen,bedingungslos und schon fast hartnäckig. Das Gottvertrauen verbindet sie mit Jesus, dieses Gottvertrauen verbindet sie also mit Gott. Gott ist der Sieger über den „geistigen Tod“. Und damit „bändigt“ er auch den medizinischen Tod, ohne ihn abzuschaffen. 

Liebe Schwestern und Brüder, ich komme bei diesem Evangelium auf sehr provokante Gedanken, die ich noch äußern will, und die die dieses Evangelium auch hergeben. Heute mag das Evangelium auch sagen: 

Gut, dass es den medizinischen Tod auch gibt! Gut, dass es dieses Entsetzen und diese Angst, dieses „um Hilfe Schreien“ und „Erschauern“ gibt. Zwei Menschen haben anbetrachts des medizinischen Todes und dessen unbeschreiblichen Schreckens gezeigt, dass der geistige Tod der noch viel schlimmere und gravierendere Tod wäre. 

Sie haben Hoffnung und Gottvertrauen gezeigt. Die Trennung von Gott wäre der zweite Tod gewesen – laut dem Sonnengesang des Heiligen Franziskus. 

Doch d(ies)er medizinische Tod, so heute auch das Evangelium, kann uns Glaubenden nichts mehr anhaben. 

Das hartnäckige Vertrauen hat heute geholfen, von Gott die Macht zum Leben zu bekommen. Der „geistige Tod“ wäre fatal; der medizinische Tod hat heute seinen echten Schrecken verloren. Hätten wir keinen medizinischen Tod, der geistige Tod würde uns leichter töten können – womöglich – ohne ihn wären wir zu sorglos – vielleicht!

Jeder „medizinische Tod“ wird im Evangelium heute als Chance gesehen, dem „geistigen Tod“ endgültig die kalte Schulter zu zeigen und sich ganz und radikal Gott anzuvertrauen. Der medizinische Tod ist die letzte, klarste und eindeutige Plattform in unserem Leben, die uns sagt: Kommt und springt in Gottes Arme, er ist der, der den Tod besiegt hat. 

Vertrauen wir ihm, jetzt schon im Leben und dann auch im Tod. Amen.